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Offiziell herrscht in Tunesien Religionsfreiheit, privat sieht es anders aus.
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Auf dem aktuellen Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks Open Doors steht Tunesien an 34. Stelle.

Das nordafrikanische Land Tunesien ist noch immer sehr stark vom Islam geprägt. Menschen, die hier zu Christen werden, wird das Leben schwer gemacht. Der Begriff „Religionsfreiheit“ steht zwar auf dem Papier, die Realität aber sieht anders aus. Christen werden bedroht und schikaniert. Vor allem innerhalb der eigenen Familie sind Christen oft enormem Druck und oft auch physischer Gewalt ausgesetzt. Viele üben ihren Glauben deshalb im Verborgenen aus. Eine offizielle Anerkennung als Christ ist für einen ehemaligen Moslem oder einer Muslime ohnehin nicht möglich. Ein Tunesier kann grundsätzlich nur Muslim sein. Wer als Muslim geboren wurde, muss Muslim bleiben. So verlangt es die Tradition, und muslimische Familien halten sich daran. Das ist für sie eine Frage Ehre.

Tunesische Christen werden auf eine Weise diskriminiert und angegriffen, die oft undurchsichtig ist und vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Christen leben in unsicheren Arbeitsverhältnissen, werden von ihrer Familie, Freunden und sogar Verlobten oder Ehepartnern verlassen und sind Opfer verbaler, psychischer und körperlicher Misshandlungen. Die Feindseligkeit und der Druck, dem sie ausgesetzt sind, machen es auch höchst gefährlich, ihren Glauben mit ihren Familienangehörigen, Verwandten, Nachbarn, Freunden oder Kollegen zu teilen. Sich mit anderen zu treffen, um gemeinsam einen Gottesdienst zu feiern und Gemeinschaft zu haben, ist so gut wie unmöglich. Kirchliche Einrichtungen und Gebäude werden von den tunesischen Sicherheitsbehörden überwacht. Vor allem Konvertitinnen müssen damit rechnen, von ihrer eigenen Großfamilie bedroht, körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht zu werden.

Kein Wunder also, dass in einer solchen Gesellschaft vor allem Frauen und Mädchen von Christenverfolgung betroffen sind. Wenn sie sich dem christlichen Glauben zuwenden, beginnt für sie eine Zeit der Diskriminierung, der Demütigung und der Verfolgung. Eine junge Christin schreibt: „Wir haben keine Kirche, die aus Steinen gebaut ist. Wir müssen die Gemeinde in Tunesien anders aufbauen. Wir brauchen euer Gebet, damit die Gemeinde wächst und wir mit all den Herausforderungen umgehen können und damit wir für die jungen Christen, die von ihrer Familie ausgestoßen wurden, sorgen und ihnen helfen können. Dass ehemalige Muslime, die Christen geworden sind, in der Gemeinde bleiben, ist schwierig. Wir müssen sie begleiten und ihnen helfen, dass sie wachsen und heil werden von den Verletzungen durch ihre Familie und ihre Vergangenheit. Betet deshalb ganz besonders für die jungen Christinnen in Tunesien.“

In ihrem Bericht erzählt die junge Studentin aus Tunesien: „Ich war an der Uni und war gerade dabei, auf Facebook den Vers „Der Herr ist mein Hirte.“ aus Psalm 23 zu posten. Ich habe weder Jesus noch sonst etwas vom christlichen Glauben erwähnt, nur diesen einen Vers. Schon kam mein großer Bruder, schnappte mich und sagte: „Was soll dieser Eintrag? Was bedeutet das?“ Ich sagte ihm: „Das ist ein Gebet, um Gott zu ehren, ein schöner Spruch, der mir gefallen hat.“ Er fragte mich, ob ich überhaupt noch Muslimin sei. Jetzt musste ich es sagen. Ich konnte nicht lügen. Aber ich hatte nicht einmal das Wort „Christ“ zu Ende gesprochen, da beendete er bereits das Gespräch und ging. Wenig später rief mich mein anderer Bruder an und beschimpfte mich. Er sagte: „Du kommst sofort heim – sofort! Sonst bring’ ich dich um!“

Was sollte ich tun? Nach Hause gehen? Schlussendlich entschied ich mich, nach Hause zu gehen, obwohl ich wusste, was mich da erwartete. Was ich dann aber tatsächlich erlebte, war eine Überraschung und ein Wunder zugleich. Ich dachte, mein Vater, der ein sehr harter und strenger Mann war, wird mich umbringen. Wenn er wütend wird, ist er zu allem fähig. Ich begrüßte meine Familie, aber meine Mutter gab mir bereits nicht mehr die Hand. Mein Vater hingegen küsste mich, wirkte völlig gelassen und ruhig. Das war für mich in diesem Moment wie ein Wunder, dass er mir nichts antat. Trotzdem schien es mir irgendwie, als würde er gar nicht kapieren, um was es ging. Dann kam mein Bruder, öffnete meine Tasche und fand drei christliche Bücher, eine Bibel und zwei weitere.

„Komm her!“, schrie er mich an. Ich gehorchte, und er begann mich zu schlagen, bis ich zu Boden fiel und anfing zu weinen. Jetzt begann auch mein Vater zu schreien: „Was, du bist Christin?! Das ist ein Skandal! Eine Schande ist das! Damit zerstörst du unsere Familie!“ Auch meine Schwester wurde jetzt wütend auf mich und begann mich zu schlagen, obwohl sie schwanger war. Meine Mutter nahm meine Brille und zerbrach sie. „Besser, du kannst nichts mehr sehen und lesen! Was tust du mit deinen Augen? Du liest in der Bibel! Du liest das falsche Buch!“ Währenddessen sagte mein Bruder: „Du bleibst zu Hause, du hast es nicht verdient zu studieren.“

Dann sperrten sie mich in das Zimmer meiner Eltern, von wo aus es kein Entrinnen mehr gab. Ich habe geweint und gebetet und in meinem Herzen gesungen. Zwei Tage später betete ich zu Gott: „Wenn du willst, dass ich hier bleibe, dann verschließe die Tür, aber wenn du willst, dass ich von meiner Familie weggehe, dann öffne die Tür.“ So saß ich in meinem Zimmer und wartete. Mein Bruder hatte mich gewarnt. An eine Flucht war also gar nicht zu denken. Doch dann plötzlich kam meine Mutter und sagte: „Zieh dich um! Wir besuchen deine Tante.“ Ich wusste sofort, das war Gottes Antwort auf meine Frage, denn von dort konnte ich weglaufen …“

Näheres dazu im Podcast. Es ist ein Beitrag zum Thema des Monats „Christenverfolgung heute“ im ERF Südtirol, entnommen der Reihe „Gesichter der Verfolgung“ des Hilfswerks Open Doors.