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Nahostexperte Johannes Gerloff zum Thema „Zion“ auf der Basis von Psalm 137
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Der viel verwendete Begriff „Zion“ ist für bibeltreue, orthodoxe Juden das Ziel ihrer Sehnsucht. Das lesen wir in dem berühmten Psalm 137. Dort heißt es: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.“ Babel, das war zu der Zeit, als dieser Psalm geschrieben wurde, das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, in diesem Land lebten die Juden nach der ersten babylonischen Eroberung im Jahr 587 v. Chr. in der Diaspora. Im Babel lebten die Menschen in Reichtum und Überfluss, im Gegensatz zu dem Leben im damaligen Israel, dem Land der Juden. Die Juden sitzen also – wie es im Psalm heißt – „an den Wassern von Babylon. Da es sich hierbei um einen Rohstoff handelt, an dem es in Israel bis heute mangelt, ist es eigentlich „unlogisch“, wenn das Volk der Juden sich nach „Zion“ sehnt.

Doch die Sehnsucht der Juden nach „Zion“ hat eine viel tiefere Bedeutung und liegt tief in der jüdischen Tradition begründet. Sie ist wichtiger Teil der jüdischen Kultur und darin auch stark verankert. Denken wir nur daran, dass z. B. Stellen in jüdischen Bauwerken bewusst unvollkommen gelassen werden, um sich daran zu erinnern, dass es keine vollkommene Freude geben kann, solange „Zion“ verwüstet ist. Jüdische Bräute tragen bei ihrer Hochzeit keinen Gold- oder Silberschmuck und Gottesdienste finden in Synagogen ohne Instrumente statt, womit symbolisiert werden soll, dass vollkommene Anbetung mit dem Wissen um das zerstörte Zion nicht möglich ist.

Das alles schwingt in der Bedeutung der Versen 2 - 4 von Psalm 137 mit, wo es heißt: „Unsere Harfen hängten wir an die Weiden im Lande. Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten, und in unserm Heulen fröhlich sein: »Singet uns ein Lied von Zion! Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande?“ Außerhalb „Zion“ ist es tiefgläubigen Juden nicht möglich, ihre Religion in Vollkommenheit auszuüben. Wir können „Zion“ deshalb nicht als eine Art theologisches Symbol betrachten, das unabhängig vom Land Israel ist. Das widerspricht den Aussagen der Bibel. Welche Bedeutung das Land Israel für einen gläubigen Juden hat, kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein Bräutigam bei einer jüdischen Hochzeit einen Eid zu schwören hat, bevor er die Braut küssen darf. Dieser Eid geht auf die Verse 5 – 6 in Psalm 137 zurück, wo es heißt: „Vergesse ich dich, Jerusalem, so erlahme meine Rechte! Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich nicht an dich gedenke, wenn ich Jerusalem nicht über meine höchste Freude setze!“ Konkret bedeutet dieser Eid, dass das Gedenken an Jerusalem wichtiger ist als die Braut! Eine solche Vorschrift sagt natürlich sehr viel über die Bedeutung und das Denken eines Volkes aus. Es ist das Denken und die Kultur des jüdischen Volkes über Zion.

Doch welche Bedeutung hat das Bild der „rechten Hand“ in der biblischen Tradition, von dem in diesem 137 Psalm die Rede ist? Mit der rechten Hand hat Gott Himmel und Erde geschaffen. Mit der rechten Hand hat er Israel aus Ägypten geführt. Die rechte Hand ist auch das Mittel zur Kommunikation. In Jesaja 41,10 lesen wir: „…fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Und im neuen Testament lesen wir davon, dass Jesus seinen Platz zur Rechten Hand Gottes einnimmt. Wenn ich Jerusalem vergesse“, so kommt es im Eid zum Ausdruck, wird mir jede Möglichkeit genommen, etwas in den Augen Gottes oder der Menschen Wertvolles und Beständiges zu tun und ich setze die Möglichkeit aufs Spiel, mit Gott zu kommunizieren. Daran wird klar, dass Zion für einen Juden alles ist. Wenn ein Jude Jerusalem vergisst, vergisst er, dass er ein Jude ist.

Näheres dazu von Johannes Gerloff im Podcast. Ein Vortrag zum Thema „Was bedeutet Zion für Israel?“ aus der Themenreihe "Israel – Brennpunkt der Weltgeschichte" aus dem Radioprogramm des ERF Südtirol.