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Wien (KAP) - Es war schon lange geplant und bekam aufgrund der Regierungskrise den Charakter eines fraktionsübergreifenden Gebets für Österreich: das dritte parlamentarische Gebetsfrühstück, das auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Ausweichquartier des Hohen Hauses am Dienstagmorgen in der Hofburg stattfand. Vertreter von 18 christlichen Kirchen sowie von Judentum und Islam waren der Initiative Sobotkas und des parteienübergreifenden Komitees des Gebetsfrühstücks gefolgt. Gäste aus 25 Nationen waren gekommen, unter ihnen der EU-Sonderbeauftragte für Religionsfreiheit und stellvertretende Vorsitzende des slowakischen Nationalrats, Jan Figel.

Österreich befinde sich "in bewegten Zeiten, aber nicht in einer Staatskrise" hielt Sobotka eingangs fest. Aufgrund der Vorgänge der letzten Tage habe die Politik "großen Erklärungsbedarf". Nach dem gestrigen Tag, der durch ein Misstrauenvotum das Ende für die amtierende Regierung brachte, gelte es innezuhalten und "auch an den zu denken, der alles lenkt und uns jeden Tag zum Geschenk macht". Politik dürfe sich nicht über einen Machtanspruch definieren, sondern habe einen Gestaltungsauftrag, so der Nationalratspräsident, der mit Psalm 23 ("Der Herr ist mein Hirte") schloss.

Seitens der katholischen Kirche waren der neue Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, der St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz, die Wiener Weihbischöfe Franz Scharl und Stephan Turnovszky, Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schika und der bisherige Geschäftsträger der Nuntiatur, Msgr. George George Panamthundil, gekommen. An der Spitze der orthodoxen und altorientalischen Kirchen standen der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) sowie der der neue armenisch-apostolische Erzbischof Tiran Petrosyan. Die Freikirchen in Österreich waren durch ihren Präsidenten Reinhold Eichinger vertreten.

Für politische Gegner beten

Anstelle von Kardinal Christoph Schönborn, der wegen Rekonvaleszenz nicht teilnehmen konnte, hielt Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck die Bibellesung. Als "Geheimwaffe zur Überwindung von Konflikten" beschrieb der frühere Abt von Stift Heiligenkreuz die von Christus im Lukasevangelium (Lk 6,27-28) geforderte Feindesliebe. Zu ihr gehöre ganz wesentlich auch das Gebet für den politischen Gegner: "Aber nicht als Gebt, dass er so wird, wie ich will", sondern dass man ihn in seinem Anderssein annimmt.

Sehr persönliche Worte fand der deutsche Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel. Als einer der drei Moderatoren des fraktionsübergreifenden Gebetskreises im Deutschen Bundestag führte er aus, dass sich die Gruppe jede Woche am Freitag für eine Stunde zum Gebet trifft. "Man betet und tauscht sich aus, die Kirche spielen dabei keine Rolle, in der Mitte steht Jesus Christus." Oft stelle er, Rützel, sich in wichtigen Situationen dabei die Frage, wie sich Jesus Christus wohl entschieden hätte. Dieser Perspektivenwechsel und der Halt in Gott lasse einen aufleben und mache frei auch von politischen Zwängen, bekannte der SPD-Politiker.

Glaube öffentlich zeigen

"Beeindruckt von der großen Gelassenheit, wie man in Österreich mit der gegenwärtigen politischen Situation umgeht", zeigte sich der deutsche Sachbuchautor Manfred Lütz. Unter Bezugnahme auf sein im Vorjahr erschienenes Buch ("Der Skandal der Skandale. Die geheime Geschichte des Christentums") plädierte der Theologe und Psychiater für mehr Sachwissen und Bekennermut: "Wir müssen uns öffentlich bekennen und auch die Leistungen des Christentums benennen." Dies entspreche durchaus einer aufgeklärten Haltung, so Lütz unter Verweis auf Jürgen Habermas. Dieser sei bei seiner Rede 2001 in der Frankfurter Pauluskirche nach den 9/11-Anschlägen dafür eingetreten, dass der säkulare Staat seine religiösen Bürger gerade auch als religiöse Menschen wieder ernst nehmen müsse. Dafür stehe das parlamentarische Gebetsfrühstück.

"Das Christentum taugt als geistiges Fundament Europas mehr denn je", zeigte sich der langjährige Vatikan-Berater überzeugt. So sei etwa der Toleranzbegriff eine sprachgeschichtliche Erfindung des Christentums. Die dem Christentum eingeschriebene Internationalität und Feindesliebe seien völlig neu im Vergleich zu den damaligen religiösen Vorstellungen und Stammesmentalitäten gewesen. Erst vor dem Hintergrund der christlichen Feindesliebe und Gewaltlosigkeit seien dann gewalttätige Handlungen wie die Kreuzzüge als echter Skandal zu brandmarken. Weil Christen im Fremden, im Leidenden, im Behinderten und Kranken Jesus selbst begegnen, seien Gastfreundschaft und die Erfindung von Krankenhäusern ein Wesenszug des Christentums. Dies sollte den Christen wieder mehr bewusst werden, "die sich oft ihrer Geschichte schämen, ohne sie wirklich zu kennen".

Für Demut und Mäßigung als wichtige christliche Haltungen für Menschen mit großer Verantwortung plädierte Veit Schmid-Schmidsfelden. Der Präsident des Forums christlicher Führungskräfte und Chefverhandler beim Metaller-Kollektivvertrag auf Arbeitgeberseite mahnte die Bereitschaft zum Kompromiss ein. Aus langjähriger Erfahrung bei schwierigen Verhandlungen komme man immer zu einem verantwortungsvollen Ergebnis, "wenn man das Gegenüber als Menschen annimmt". Der Grund der großen wirtschaftlichen Krisen der letzten Zeit - von der Finanzkrise bis zur Krise der Automobilindustrie - seien Hybris und fehlende Demut gewesen. Christsein heißt, an Jesus Maß zu nehmen und vieles im Leben als Geschenk anzunehmen, empfahl der Industrielle.

Das Gebetsfrühstück endete mit Fürbitten, die Politiker verschiedener Parteien und unterschiedlicher christlicher und religiöser Bekenntnisse sprachen. Neben Sobotka und Figel waren das die Nationalratsabgeordneten Elisabeth Feichtinger (SPÖ), Martin Engelberg (ÖVP) und Efgani Dönmez, die EU-Abgeordnete Barbara Kappel (FPÖ) sowie die OSZE-Beauftragte für Religionsfreiheit, Prof. Ingeborg Gabriel. Moderiert und maßgeblich vorbereitet wurde das Gebetsfrühstück von der ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler und vom FPÖ-Abgeordneten Christian Ragger. Für die musikalische Gestaltung sorgte die ökumenische Initiative KISI - "God's singing Kids".

Im Parlament in Wien gibt es seit 1981 regelmäßige kleinere Treffen von Abgeordneten zum Austausch und Gebet, an denen seit 2016 alle Fraktionen vertreten sind. Sie treffen sich dazu in der Regel monatlich vor den Plenarversammlungen des Nationalrats. Bekanntheit erlangte diese interreligiöse und fraktionsübergreifende Initiative in Österreich, die seit über 60 Jahren in den USA praktiziert wird, durch das erste nationale und öffentliche Gebetsfrühstück 2017 im Parlament in Wien.