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Macbeth im Theater an der Gumpendorferstraße: Die Neufassung von Gernot Plass gestaltet sich als psychoanalytisches und konfessionsgeschichtliches Drama.
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Die Stille von Geburt und Tod liegt im Saal: Ein weißes Tuch über dem erhöhten leeren Bühnenboden. Darauf eine metallene Schüssel. Doch niemand wäscht hier seine Hände in Unschuld. Krieg, Verschwörung und Verrat sind es, die in Gernot Plass‘ Neufassung des Shakespeare-Klassikers „Macbeth“ herrschen. Am Samstag, 3. Februar, feierte das Stück im Wiener „Theater an der Gumpendorferstraße“ (TAG) seine Uraufführung.

Mit „MACBETH. Reine Charaktersache“ des Wiener Regisseurs und Schauspielers Gernot Plass erwartet die Zuschauer kein Abend von der Stange. Das blutrünstige Intrigenspiel im Schottland des frühen 17. Jahrhunderts wird in der freien Inszenierung zu einem eindrucksvollen Atelier moderner Schauspielkunst in ebenso reduziertem wie eindrucksvoll dialogischem Bühnenbild. Macbeths Inbesitznahme des Königsthrones und sein verzweifelter Versuch, daran festzuhalten, geraten unter der selbstbewusst mutigen Regie zum feinen psychologischen Kampf von Macht, Lüge und Gewissen.

Der Mensch ist nicht Herr im eigenen Haus

Plass wagt sich in das brüchige Haus menschlicher Existenz. Die moderne Frage Sigmund Freuds nach dem Wesen des Menschen zwischen tiefer Lust und dunkler Macht trifft hier auf das klassische elisabethanische Drama: Der König Mensch ist nie Herr im eigenen Haus. Das Leben ist ein gedeckter Tisch, der nicht lange rein und weiß bleibt.

Shakespeares Drama um Krone und Macht in den Thronwirren Schottlands und Englands im 16. und 17. Jahrhundert ist auch eng mit der konfessionellen Geschichte und Dramatik der Zeit verwoben. Machtspiele bestimmen in der Nachfolge Heinrichs VIII., der sich von Rom trennt und die anglikanische Staatskirche gründet, die politische wie reformatorische Entwicklung. Shakespeare öffnet auch in diesem religionshistorischen Zusammenhang exemplarisch die Abgründe allzu menschlicher Charakterzüge im blutigen Rausch der Herrschaftsansprüche.

Die stark ironisch-komödiantischen Seitenblicke zur gesellschaftlichen Gegenwart schaffen in freier assoziativer Öffnung des Dramas eine erfrischende Ansprache, die bestes modernes Theater auszeichnet. Hier wird gespielt und gedacht – mit dem Publikum. Auf der Bühne stehen Jens Claßen, Julian Loidl, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert und Elisa Seydel.