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Ein besonderer Gottesdienst hat am Sonntag im slowakischen Bruck an der Donau (Most pri Bratislave) stattgefunden. Die Überlebenden der 1945 Vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung samt ihren nachgeborenen Generationen feierten gemeinsam mit heutigen Brucker Gemeinde- und Pfarrmitgliedern wie auch Angehörigen der ungarischen Minderheit gemeinsam das Kirchweihfest in dem auf der Schüttinsel vor Bratislava gelegenen Ort. Der dreisprachige Gottesdienst stand im Zeichen der versöhnten Erinnerung und war zugleich Priester- und Professjubiläumsfeier des Seelsorgers der "Brucker", des Wiener Salesianerpaters Alois Sághy (88).

Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, am 3. Juli 1945, waren rund 2.000 Brucker gewaltsam aus ihren Häusern geholt und nach wochenlanger Festhaltung im Aufhaltelager Patronka über die Grenze nach Österreich getrieben worden. Viele fanden später in Grenzorten oder in Wien eine neue Heimat, andere in Deutschland oder Übersee. Ein ähnliches Schicksal erfuhren in der Slowakei 120.000 weitere Deutschsprachige, die infolge der sogenannten "Benes-Dekrete" zwangsvertrieben wurden. Viele von ihnen pflegten lange bzw. pflegen weiters im Exil ihre Gemeinschaft, wobei die "Brucker" - zu denen auch der frühere Linzer Bischof Ludwig Schwarz gehört, der an die Versammelten Grüße übermittelte - zu den aktivsten zählen.

"Die Versöhnungsbereitschaft der Brucker kann als bestes Beispiel dafür gelten, dass sich ein gemeinsam erlebtes Trauma in das Fundament eines dauerhaften Friedens verwandeln kann", würdigte der Vorsitzende des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei, Ondrej Pöss, das jahrzehntelange Engagement der Vertriebenen-Gemeinde. P. Sághy als deren Motor sei stets von der Überzeugung getrieben gewesen, "dass Friede Erinnerung braucht" - sowie auch "freundschaftliche Versöhnung", wie Walter Roth (66) als Vertreter der "nachgeborenen" Brucker ergänzte. Die Freundschaft mit dem heutigen Bruck bezeichnete Roth als ein explizites Ziel der Brucker-Treffen.

Gemeinde finanzierte Übersetzung

Mit zahlreichen Aktionen und äußeren Zeichen haben die früheren und heutigen Brucker dieses Anliegen bereits deutlich gemacht: Etwa mit einem Erinnerungs-Kreuz in der Brucker Pfarrkirche, einem "Weg der Versöhnung" mit Gedenklinde und Kreuz am Grenzübergang Kittsee oder mehreren von P. Sághy herausgegeben Büchern, welche Erlebnisse der Vertriebenen, ihrer Nachgeborenen und heute in Bruck lebender Menschen dokumentieren. Ein 2015 veröffentlichtes Buch - der Titel lautet "70 Jahre danach: Bruck an der Donau - unvergessen" - erschien soeben auf Slowakisch ("70 rokov po: Bruck an der Donau... nezabudnuti") und wurde am Sonntag erstmals präsentiert. Besonderes Detail: Finanziert hatte den Druck die Gemeinde Bruck, deren Bürgermeisterin Katka Rentkowa ebenfalls mitfeierte.

"Die Brucker wollen es hinausschreien: vergesst uns nie!", sagte die Übersetzerin Lucia Cernanska (46), selbst Enkelin einer Bruckerin, die aufgrund einer Krankheit damals in der Slowakei bleib. Die Brucker zeigten vor, "dass auch nach so viel Schmerz und Trauer Hoffnung möglich ist, und dass man die Freundlichkeit und besonders den Glauben nicht verliert", so die Deutsch- und Musikpädagogin. Es sei sehr wichtig, der jungen Generation in der Slowakei die Geschichte des Ortes, die für viele ähnliche Schicksale von Ortschaften stünden und anderswo in ähnlicher Weise auch Slowaken und Ungarn passiert sei, weiterzuerzählen.

Fremden Heimat geben

Der Wiener Domdekan Karl Rühringer zeichnete in seiner Predigt den Berufungsweg von P. Sághy nach, der heuer sein 60-jähriges Priester- und sein 70-jähriges Ordensjubiläum feiert. Der Werdegang des Salesianers sei ein "reiches und erfülltes Ordensleben des Mitgehens und Mitfühlens mit den Menschen", sagte Prälat Rühringer, der selbst ein aus Südmähren Vertriebener ist. Als Jugend- und Flüchtlingsseelsorger habe der langjährige Pfarrer von Inzersdorf-Neustift "die Spur von Don Bosco aufgenommen und weitergeführt" und "den Heimatlosen Heimat gegeben". Weiterhin setze sich Sághy stets dafür ein, dass Menschen in Österreich "nicht nur geduldet, sondern als Schwestern und Brüder willkommen sind".

Mit dem ehemaligen Brucker Pfarrer Marian Cerveny und dem aus einer Vertriebenen-Familie stammenden Diakon Klaus Rieger standen weitere Verbindungsfiguren dem Gottesdienst vor, ebenso wie sich auch der in der Versöhnungsarbeit lange Zeit aktive frühere Bürgermeister von Bruck sowie zwei Bürgermeister der Nachbargemeinden an der Feier beteiligten. Auch der gemeinschaftliche Aspekt kam bei dem Versöhnungsfest. So gab es nach dem Gottesdienst ein gemeinsames Gruppenfoto und ein Mittagessen für alle im naheliegenden Gemeindesaal.