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Die 44-Jährige nahm eine tödliche Dosis Schlafmittel ein und informierte den Arzt per Nachricht über das Mobiltelefon.
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Besorgt über ein Urteil des Berliner Landgerichts zur Sterbehilfe hat sich der Verein „Ärzte für das Leben“ geäußert. Das Gericht hatte in der Verhandlung am 8. März einen Arzt freigesprochen, der seine Patientin beim Suizid begleitete. Zum Hintergrund: Der Hausarzt im Ruhestand Christoph Turowski (68, Berlin) hatte einer 44-jährigen Patientin mit chronischer Darmerkrankung auf ihren Wunsch hin vor fünf Jahren ein starkes Schlafmittel verschrieben. Sie nahm daraufhin eine tödliche Dosis ein und informierte den Arzt per Nachricht über das Mobiltelefon. Als die Frau ins Koma gefallen war, sah der Arzt mehrfach nach ihr, leitete aber keine lebenserhaltenden Maßnahmen ein. Nach drei Tagen verstarb die Patientin. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mediziner daraufhin versuchte Tötung auf Verlangen vor. Zudem machte sie belastend geltend, dass er Verwandte der Patientin telefonisch von Rettungsmaßnahmen abgeraten haben soll. Dem Gericht zufolge ist dem Arzt kein „aktives Tun“ vorzuwerfen, nachdem die Bewusstlosigkeit der Frau eingetreten war. Auch das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen sei keine Straftat. Der Patientenwille müsse geachtet werden, so die Vorsitzende Richterin.

Cullen: Der Hausarzt hat nicht richtig gehandelt

Der 1. Vorsitzende der „Ärzte für das Leben“, Paul Cullen (Münster), sagte der Evangelischen Nachrichtenagentur idea: „Der Fall Turowski bestätigt voll und ganz unsere Befürchtungen, dass das Ende 2015 von beiden Kirchen gefeierte Gesetz zur ‚Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung’ die ärztliche Suizidbeihilfe straffrei stellt.“ Zugleich stehe es damit im Gegensatz zur Musterberufsordnung der Bundesärztekammer, die „Tötung auf Verlangen und Suizidbeihilfe durch Ärzte kategorisch verbietet“. Da laut Cullen die große Mehrzahl der Patienten mit Suizidwunsch an psychischen Erkrankungen litten, „wäre die richtige Reaktion des Hausarztes nicht die Suizidbeihilfe, sondern die Überweisung an den entsprechenden Spezialisten gewesen“. Weiterhin zeigt sich die Vereinigung beunruhigt über die positive Berichterstattung und Kommentierung des Urteils durch Medien und das Publikum im Gerichtssaal. Die Reaktionen zeigten, dass „ein Großteil der Öffentlichkeit das Urteil offensichtlich als richtig empfindet“. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 18.000 Euro wegen versuchter Tötung auf Verlangen beantragt. Sie legte Revision gegen das Urteil ein. Der Fall kommt jetzt vor den Bundesgerichtshof. Cullen ist Facharzt für Innere Medizin und Laboratoriumsmedizin sowie Klinischer Chemiker. Die von ihm geleitete Vereinigung tritt „für das Leben jedes Menschen vom Augenblick der Zeugung bis zum natürlichen Tod ein“.