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Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat einmal mehr an alle politisch Verantwortlichen appelliert, sich für mehr Menschlichkeit in der Asylpolitik einzusetzen. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" (Mittwoch) verteidigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz zudem die Coronamaßnahmen der Bischöfe und gab Auskunft darüber, wie er persönlich durch die Coronazeit kommt.

Erzbischof Lackner bekräftigte seine Forderung, "in einen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu treten, um Lösungen zu finden, wie das Bleiberecht und die anderen für Härtefälle zur Verfügung stehenden rechtskonformen Möglichkeiten im Sinne der Menschlichkeit besser genutzt werden, ohne eine ungeregelte Zuwanderung anzuheizen". Der Bischofskonferenz-Vorsitzende betonte zugleich, dass die katholische Kirche in dieser Frage mit allen Parteien das Gespräch suche.

Die besondere Rolle der Kirche liege darin, "dass sie den Einzelnen mehr im Blick hat". Die Natur der Sache bringe es mit sich, "dass eine Gesetzlichkeit nie den Einzelnen in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit ganz erreichen kann, in diesem Sinn wird jedes System irgendwie auch ungerecht sein". Für diesen Einzelnen trete aber die Kirche ein, "da wollen wir eine mahnende Stimme sein", so Lackner.

Aufgabe der Kirche sei es zu schauen: "Wo sind Menschen trotz allen funktionierenden Systemen benachteiligt? Da sind auch unsere Organisationen wie die Caritas und unsere Pfarren dran, auf die Schwächsten aufmerksam zu machen; da wird ja vieles getan, gerade im Flüchtlingsbereich; in vielen Bereichen auch von der Regierung und den Landeshauptleuten, das muss man schon sagen."

Lockdown: Bischöfe handeln verantwortlich

Den Vorwurf, dass die österreichischen Bischöfe zu wenig Mut bewiesen und sich zu sehr den Lockdown-Vorgaben der Politik unterworfen hätten, wies Lackner zurück. "Als Kirche war uns bewusst, dass das Virus ernst zu nehmen ist. Die Katholikinnen und Katholiken haben ja auch ein Verantwortungsgefühl, und der Großteil der Gläubigen hat die Maßnahmen bereitwillig mitgetragen, wenngleich es schwergefallen ist", so der Salzburger Erzbischof. Man sehe ja auch, dass die Infektionszahlen seit Monaten nur sehr langsam zurückgehen würden.

Lackner: "Wiederholt haben wir mit Gesundheitsexperten gesprochen, noch mehr als mit Politikern, Virologen und Hygieniker eingeladen, Krisenstäbe eingerichtet, uns in der Bischofskonferenz viel öfter ausgetauscht als sonst, uns mit anderen Religionsgemeinschaften abgestimmt." Daraus sei eine Einsicht entstanden, "wie wir vorgehen - die Ergebnisse haben wir mit der Regierung abgestimmt".

Es sei nie von Verordnungen die Rede gewesen, "und wir haben uns der Politik nicht gefügt, sondern aus eigenem Verständnis heraus, aus Freiheit - dafür wurde ich auch kritisiert - unsere Verantwortung wahrgenommen, was ohnehin schwer genug war". Die Religionsgemeinschaften hätten einen wesentlichen Beitrag geleistet, die Pandemie im Rahmen zu halten, zeigte sich Lackner überzeugt. Nachsatz: "Sie hätte schlimmer sein können."

Ostern 2020 war "Schock"

Ostern 2020 im Lockdown feiern zu müssen, sei freilich ein "Schock" gewesen, räumte Erzbischof Lackner ein. "Das wichtigste Fest im christlichen Jahreskreis nur zu fünft zu feiern, war schmerzlich. Wir wussten ja zunächst vieles nicht, inzwischen haben wir deutlich mehr Wissen über den Virus und seine Verbreitung. Es war für die Gläubigen und auch die Priester ein großes Opfer, so abgeschottet feiern zu müssen - eine verlängerte Fastenzeit."

Heuer werde man Ostern aber wohl nicht noch einmal in so restriktiver Form feiern müssen, zeigte sich der Erzbischof zuversichtlich: "Wir haben ja jetzt Testungen, etablierte Abstandsregeln, FFP2-Masken, Desinfektionsmittel ..."

Zur Frage, ob die Kirche in den Lockdowns alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, sprach der Bischofskonferenz-Vorsitzende unter anderem von einem ordentlichen Digitalisierungsschub. Luft nach oben gebe es freilich immer. Und die physische Präsenz sei natürlich durch nichts aufzuwiegen. Trotzdem: "Die Streaming-Gottesdienste waren ein Erfolg, da wurden sehr viele Gläubige erreicht. Es ist sehr viel Kreativität entstanden. Gerade in der ersten Phase haben wir gestaunt, was alles möglich ist. Auch die Bereitschaft zu helfen war groß."

Im Blick auf die Messe hob Lackner das Prinzip der Stellvertretung hervor: "Jesus hat stellvertretend für uns gelebt und ist für uns gestorben. Ich habe noch nie eine Messe für mich selbst gefeiert, ich feiere sie immer stellvertretend für andere. Im leeren Salzburger Dom stehe ich da für die vielen Menschen, die eine Sehnsucht haben, auch teilzunehmen am Gottesdienst."

Er glaube jedenfalls nicht, so Lackner weiter, dass es nach Corona nun den großen Einbruch bei den Messteilnehmern geben wird. "Wer regelmäßig in die Kirche gegangen ist - und sei es nur an den Festtagen -, wird sich das nicht in einem Jahr abgewöhnen." Freilich: "Es wird sicher eine Einschleifphase geben müssen, und wir werden uns sehr darum bemühen, dass die Menschen wieder in die Kirchen kommen."

"Habe die Einsamkeit lieben gelernt"

Zur Frage, inwieweit der Lockdown auch Vereinsamung bei Priestern mit sich bringt, meinte der Erzbischof: "Ich persönlich habe die Einsamkeit lieben gelernt. Durch die vielen abgesagten Termine und Reisen - ich reise sonst gern - sind Leerräume entstanden, die ich mitunter auch als positiv erlebt habe. Und der Lebensrhythmus, der Gebetsrhythmus war leichter möglich. Dass Priester und Ordensleute in der Pandemie vereinsamen, glaube ich nicht."

Trotzdem: "Auch Priester brauchen Ansprechpartner: Ich habe jetzt, in der Pandemie, in meinem achten Jahr als Erzbischof von Salzburg, erstmals alle rund 250 Priester in der Erzdiözese angerufen! Das hat uns allen gutgetan." Künftig werde man sicher physische Treffen wieder neu schätzen lernen.

Ganz grundsätzlich bemerkte der Erzbischof, dass er nie den Eindruck hatte, "dass Gott uns verlassen hätte, das kann ich ehrlich sagen. Ganz im Gegenteil: Die Sehnsucht - und ich halte das für das wichtigste Wort des Glaubens - ist gewachsen." Negativ falle ihm aber auf, "dass mit der Länge der Einschränkungen, so wichtig sie sind, doch eine große Ungeduld aufkommt und es auch Aggressionen gibt, auch bei Menschen, die sich als gläubig bezeichnen".

Glaubwürdige und sparsame Kirche

Auf die Kirchenaustritte angesprochen betonte Lackner, dass die Kirche schlicht glaubwürdig sein müsse, "dienend, bei den Menschen und für sie da". Kirche "muss ein Element sein, auf das man auch in Zukunft nicht verzichten kann". Der Glaube habe Sinnpotenzial, auch und gerade in schwierigen Zeiten. Bei den sinken Mitgliederzahlen der Kirche müsse man zudem auch einrechnen, "dass die Geburten bei uns zurückgehen und der Zustrom großteils nicht-christlich ist".

Im Blick auf die Bemerkung, dass Corona auch finanzielle Einbußen für die Kirche mit sich bringe, zeigte sich der Erzbischof gelassen. "Die Kirche geht sehr treuhänderisch mit dem ihr anvertrauten Geld um. Mit schlechten Ernten muss man rechnen. Die Kirche geht nicht unter."