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Mit deutlichen Worten hat der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner die jüngsten Abschiebungen von drei Mädchen nach Georgien bzw. Armenien kritisiert. "Man rette die Demokratie nicht durch Unmenschlichkeit", so Zulehner in einem Beitrag auf seinem Blog (https://zulehner.wordpress.com). Laut Experten sei bei den Abschiebungen zwar formal der Rechtsweg eingehalten wurde, aber sie würden auch darauf verweisen, dass es einen anderen Rechtsweg gegeben hätte. Man hätte lediglich das politisch leicht revitalisierbare "humanitäre Bleiberecht" gewähren müssen, so der Theologe.

"Es steht also nicht Recht gegen Rechtlosigkeit, sondern ein erbarmungsloses Recht gegen ein Recht mit Herz und Verstand", betont Zulehner und er meint: "Vor allem die Jungen haben für ein kaltherziges Recht wenig Verständnis." Das lasse hoffen, dass die Unterstützung für die harte Regierungspolitik allein biologisch kleiner wird. Denn "eine Partei, die gegen die nächste Generation regiert, hat wenig Zukunft", so der Pastoraltheologe. In Verbindung von Herz und Verstand hätte es eine alternative rechtliche Lösung gegeben. Die Abschiebungen wären auf dem Rechtsweg zu verhindern gewesen, hätte man es gewollt. Und die ÖVP hätte ein wenig an Zukunft gewonnen, die sie durch solche Aktionen fahrlässig verbraucht.

Der Pastoraltheologe verweist auf eine aktuelle Gallup-Umfrage wonach sich 47 Prozent der Befragten für eine Aufnahme von Menschen in Not aus den Lagern in Lesbos aussprechen. 49 Prozent seien dagegen. Hätte Gallup nach der Abschiebung mit ihren dramatischen Bildern die Umfrage gemacht, wäre vermutlich bereits ein anderes Ergebnis herausgekommen, mutmaßt Zulehner und er betont: "Härte in Fragen der Menschlichkeit ist immer Schwäche. Einen Fehler einzugestehen, wäre wahre Größe. Die drei abgeschobenen Mädchen sollen alsbald die Nachricht der Regierung erhalten, dass sie wieder ins Land zurückkehren können."

Es geht um "humanitären Notstand"

Derzeit bemühe sich auch ein Netzwerk von Menschen mit Gesinnung und Verantwortung, die Regierung um die Aufnahme von 100 Personen, zumeist Familien mit Kindern, zu ersuchen. In diesem Netzwerk seien unterschiedlichste Gruppen beteiligt, einschließlich ÖVP-nahe Bürgermeister und Nationalratsabgeordnete. Ein wichtiges Argument in ihrem Bemühen sei, dass es nicht um die Flüchtlingspolitik geht, sondern um einen "humanitären Notstand".

Er sei zuversichtlich, so der Theologe, dass die Abschiebung einen Wendepunkt in der ausgeweiteten Anwendung humanitärer Rechtsmöglichkeiten bilden wird. Denn: "Man rettet die Demokratie nicht durch unmenschliche Abschiebungen. Demokratie lebt von der Menschlichkeit."

Graz: Lichtermeer gegen Abschiebungen

"Um ein Lichtsignal für Menschenwürde und Kinderrechte zu geben und um unsere Stimme gegen unmenschliche und unsinnige Abschiebungen zu erheben", wurde nach den Worten von Erich Hohl, dem Integrationsbeauftragten der Diözese Graz-Seckau, in der steirischen Landeshauptstadt gegen die Abschiebungen protestiert. Ein Demonstrationszug hatte sich am Wochenende ausgehend vom Grazer Griesplatz am Hauptplatz zur Schlusskundgebung mit rund 650 Personen eingefunden, mitorganisiert wurde diese Aktion von der Katholischen Aktion Steiermark mit KA-Präsidentin Andrea Ederer an der Spitze. Zur Teilnahme am abschließenden Lichtermeer hatte auch Bischof Wilhelm Krautwaschl aufgerufen.

Die "von Teilen der Bundesregierung bewusst gesetzten" harten Abschiebeaktionen und die dabei erzeugten Bilder wirkten "wie ein Schlag in die Magengrube der Humanität" und trügen zur gesellschaftlichen Polarisierung bei, sagte Erich Hohl in seinem Statement am Hauptplatz. Niemand erwarte, dass alle Asylanträge positiv beschieden werden, aber: Ziel müsse es sein, Asylverfahren besser als bisher durchzuführen - nämlich rasch, fair und qualitätsvoll, wie der Kirchenvertreter sagte. In strittigen Fällen wie dem jüngsten gelte es neben der rechtlichen Frage auch menschliche Komponenten stärker zu würdigen.

Die Regierung wäre laut Hohl gut beraten, eine offene Diskussion über eine Neugestaltung des humanitären Bleiberechts anzustoßen und dabei auch Länder und Kommunen einzubeziehen.

Landau: "Ein Zeichen von Schwäche"

Auch Caritas-Präsidetn Michael Landau hat am Wochenende in der "Tiroler Tageszeitung" einmal mehr seine Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik bekräftigt: "Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn der Staat glaubt, seine Stärke mit der Abschiebung kleiner Kinder demonstrieren zu müssen." Über das humanitäre Bleiberecht sollte auf regionaler, nicht auf zentraler Ebene befunden und die Situation eines Kindes in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. "Das Wohl von Kindern und ihre Rechte müssen Vorrang haben", so Landau. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei er für seine klaren Worte dankbar.

Landau wies gegenüber der Tiroler Tageszeitung auf die immer noch katastrophale Lage der Flüchtlinge in Lagern auf griechischen Inseln und in Bosnien hin. "Noch immer werden Kinder von Ratten gebissen, noch immer haben Kinder Suizidgedanken. Hilfe vor Ort, von der die ÖVP rede, sei zwar wichtig, Katastrophenhilfe dürfe in EU-Ländern aber nicht zum Dauerzustand in der Flüchtlingsunterstützung werden. Österreich sollte sich an den europäischen Rettungsaktionen beteiligen und zumindest 100 Familien mit kleinen Kindern, die Asylstatus haben, aufnehmen.

Chalupka mahnt Kinderrechte ein

In der ORF-Religionssendung "Orientierung" am Sonntag äußerte sich Landau in gleicher Weise. Der Beitrag über die Abschiebungen wurde mit der dazu am Freitag vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz abgegebenen Stellungnahme eröffnet: "Ich appelliere daher an die Regierung, in einen Dialog mit der Zivilgesellschaft einzutreten, um Lösungen zu finden, wie das Bleiberecht und die anderen für Härtefälle zur Verfügung stehenden rechtskonformen Möglichkeiten im Sinn der Menschlichkeit besser genützt werden können, ohne eine ungeregelte Zuwanderung anzuheizen", wurde Erzbischof Franz Lackner zitiert.

Der evangelische Bischof Michael Chalupka mahnte in der "Orientierung" die stärkere Beachtung der Kinderrechte ein. "Hier geht es um die Existenz von jungen Menschen, die ja kein anderes Land als Österreich und auch kein anderes Bildungssystem als das in Österreich kennen", so der Bischof. Für solche Fälle brauche es eine entsprechende gesetzliche Vorsorge bzw. sollten die schon jetzt möglichen Spielräume auch entsprechend genützt werden, so Chalupka.

In der "Orientierung" wurde auch auf den Fall einer georgischen Familie im niederösterreichischen Eichgraben aufmerksam gemacht, der ebenfalls die Abschiebung droht und sich eine örtliche Initiative für ein Verbleiben ausspricht. "Diese Menschen sind ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft. Niemand gewinnt, wenn sie abgeschoben werden, aber wir gewinnen alle, wenn sie hier bleiben", so Rainald Tippow von der Caritas der Erzdiözese Wien in der "Orientierung".

Männerbewegung dankt Van der Bellen

Die Katholische Männerbewegung Österreich hat in einem Schreiben Bundespräsident Alexander Van der Bellen für seine deutliche Kritik an der Abschiebung der drei Mädchen nach Georgien und Armenien gedankt. Van der Bellens Stellungnahme sei "schlicht ein Signal für Menschlichkeit und Nächstenliebe in der Politik und vielleicht auch ein Anstoß, mehr über die humanitäre Seite unserer Asylpolitik nachzudenken", heißt es in dem Schreiben, das vom KMBÖ-Vorsitzenden Ernest Theußl gezeichnet ist.

Es sei zudem aber wichtig zu betonen, so Theußl, "dass wir damit keine Kritik an der Bundesregierung verbinden wollen, die im Rahmen des Rechtsstaates und der geltenden Gesetze gehandelt hat". Auch das sei für die KMBÖ eine unverzichtbare Komponente, ohne die eine demokratische Ordnung nicht aufrechtzuerhalten sei. Jedoch: "Man fragt sich allerdings, wie es so weit kommen konnte."