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Hoffnung auf Joe Bidens Unterstützung einer neutralen Position des Libanon hat der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai geäußert. Der neue US-Präsident könne einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Libanon von Konflikten im Nahen Osten fernzuhalten, wenn er das Land nicht im Kontext der Bündnisse mit den in der Region um die Vorherrschaft kämpfenden Mächten sehe, sagte der libanesische Kardinal laut Angaben der Nachrichtenagentur Fides (Montag) bei einer Predigt im Patriarchat in Bkerke.

Rai gratulierte dem neuen Staatsoberhaupt der USA zugleich zu seiner Vereidigung und appellierte an dessen katholischen Glauben sowie an sein bisheriges Engagement für spirituelle Werte. Mit derselben Grundhaltung solle Bidens Regierung auch die Libanon-Frage angehen und damit zu einer Wiederherstellung von Stabilität und Wohlstand im Land beitragen.

Eindringlich wandte sich der Patriarch erneut auch an die libanesischen Politiker. Deren Unvermögen, angesichts der Pattsituation im Land eine Regierung zu bilden, habe eine schwere Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitskrise heraufbeschworen. So müssten Menschen "vor Schmerz klagen, hungern und an Armut und Krankheit sterben" und vor den Banken erfolglos darum flehen, ihr Geld abheben zu dürfen. Ebenso seien die Grenzen des Libanons ungeschützt, Schmuggel und Korruption weitverbreitet, die Unabhängigkeit ausgesetzt und die nationale Souveränität gefährdet. Auch dass bereits die Hälfte der Bevölkerung arbeitslos sei und unterhalb der Armutsgrenze lebe, sei empörend. "Habt ihr keine Furcht vor Gott, vor dem Volk, vor dem Gewissen und dem Urteil der Geschichte?", so Rai in Richtung Politik.

Seit dem 4. August 2021, infolge von Protesten nach der Explosion im Hafen von Beirut, gibt es im Libanon keine Regierung mehr. Zwar wurde der sunnitische Vorsitzende der "Zukunft"-Partei, Saad Hariri, am 22. Oktober mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt, konnte aber bislang noch kein neues Kabinett ernennen; zu den Ursachen dafür zählen auch die institutionellen Spannungen zwischen dem zuständigen Ministerpräsidenten und Präsident Michel Aoun um die Ministerliste. Zuletzt hatte sich der Druck auf eine Regierungsbildung auch aus dem Ausland erhöht.