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Myanmars oberster Kirchenvertreter, Kardinal Charles Maong Bo, hat nach dem vollzogenen Putsch in seinem Land die neue Militärjunta zum Verzicht auf Gewalt, zu Dialog und zur Freilassung aller inhaftierten Politiker, Schriftsteller und Aktivisten aufgerufen. Die Festgenommenen, darunter die faktische Regierungschefin Auung San Suu Kyi und die gewählten Vertreter ihrer Partei der "Nationalen Liga für Demokratie", seien "keine Kriegsgefangenen, sondern Gefangene eines demokratischen Prozesses", kritisierte der Erzbischof von Yangon, der auch der Bischofskonferenz von Myanmar und der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen als Präsident vorsteht, in einem von der Nachrichtenagentur "Fides" (Donnerstag) aufgegriffenen Appell.

Myanmars Armee hatte in der Nacht auf Montag die demokratisch gewählte Regierung des Landes gestürzt und für ein Jahr den Notstand ausgerufen. Für das Ende des Notstands kündigten die neuen Machthaber freie Wahlen an. Nach 70 Jahren Blutvergießen und Gewalt und sieben Jahre nach dem friedlichen Übergang zu einer gewählten Regierung, für den Myanmar weltweit bewundert worden sei, handle das Militär nun wieder "eigenmächtig", kritisierte Bo. Wohl gelte es zu analysieren, was seit 2015 schiefgelaufen sei und wieso es zwischen den Politikern und den Militär an Kommunikation fehlte. Als im Vorjahr Vorwürfe von Wahlbetrug nicht durch Dialog in Anwesenheit neutraler Beobachter gelöst wurden, habe man wohl eine "große Gelegenheit" verpasst, bedauerte Bo. Weiterhin sei die Demokratie für das Land jedoch der "Faden der Hoffnung". Das Volk wolle eine friedliche Machtübertragung statt leerer Versprechen.

Das Land durchlebe derzeit "eine der schwersten Zeiten seiner Geschichte", befand der Erzbischof, der eine "dauerhafte Lösung" einforderte. Die Bürger sollten sich daran beteiligen, indem sie Ruhe bewahren, keinen Hass schüren, auf Provokationen verzichten und in Protesten keine Gewalt ausüben. "Wir haben genug Blut vergossen. Friede ist der einzige Weg", betonte Bo, der auch die Führer der anderen Religionen zu Friedensappellen ermunterte. Die Mitarbeiter des Gesundheitswesens - sie hatten am Mittwoch in mehr als 30 Städten gestreikt und tragen derzeit vielfach rote Schleifen als äußeres Protestzeichen - ersuchte der Kardinal, "die bedürftigen Menschen nicht im Stich zu lassen".

Solidarisch mit Aung San Suu Kyi

Solidarisch zeigte sich Bo mit Aung San Suu Kyi. Die Regierungschefin habe ihr Leben für das birmesische Volk geopfert und sei im Kampf für Demokratie unerwartet zu Gefangenen geworden. "Sie wird immer die Stimme unseres Volkes sein", unterstrich der Erzbischof, der seine Hoffnung auf ihre rasche Freilassung und einen "Sieg der Wahrheit" bekräftigte. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass das Land mehr Dialog, Kommunikation und gegenseitige Akzeptanz brauche. "Bitte hören Sie einander zu", so Bos Empfehlung.

An die internationale Gemeinschaft gewandt, dankte der Bischofskonferenz-Vorsitzende für den Einsatz anderer Länder für Myanmar, distanzierte sich jedoch von harten Maßnahmen wie Sanktionen und Verurteilungen, die nur "Türen geschlossen und den Dialog verhindert" hätten. Nur "starke Mächte, die auf unsere Ressourcen abzielen", würden davon profitieren, dass als Folge die Wirtschaft zusammenzubrechen und Millionen Menschen in Armut zu stürzen drohten. "Die Einbeziehung aller Akteure in die Versöhnung ist der einzige Weg", betonte Kardinal Bo.

Sperre sozialer Netzwerke

Inzwischen hat die Militärjunta in Myanmar hat Mobilfunk- und Internetanbieter angewiesen, den Zugang zu den sozialen Netzwerken Facebook, WhatsApp sowie zu VPN-Diensten zur Verschlüsslung des Datenverkehrs im Internet zu sperren. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) verurteilte die Sperrung am Donnerstag als "direkten Schlag gegen die Meinungsfreiheit" und "Beleidigung des Volkes von Myanmar". Mit der Abschaltung Sozialer Medien wolle die Junta die Organisation von Protesten gegen den Militärputsch unterbinden.

Das staatliche Telekommunikationsunternehmen MPT sowie die privaten Konzerne Telenor und Ooredoo haben die Anordnung der Junta befolgt, wie das Nachrichtenportal "Myanmar Times" (Donnerstag) berichtet. Telenor habe aber gegenüber Medien in Myanmar die Blockierung von Facebook als "unnötig", "übertrieben" und als Verletzung der Menschenrechte bezeichnet. Der norwegische Konzern Telenor und Ooredoo aus Katar sind die größten Anbieter von Mobilfunk und Internet in Myanmar. Facebook ist das dort populärste Soziale Netzwerk.

Die Armee von Myanmar und Facebook haben eine konfliktreiche Vergangenheit. Seit 2018 blockiert Facebook die Profile von Armeechef Min Aung Hlaing und weiteren 20 führenden Offizieren sowie den Account des Militärsenders Myawaddy. Die Faktenfindungskommission der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Gewalt gegen die Rohingya-Minderheit hatte in einem 2018 veröffentlichten Report die Rolle von Facebook bei der Verbreitung von Hasspropaganda gegen die Rohingya hervorgehoben. Im selben Jahr deckte die "New York Times" auf, dass Hunderte Armeeangehörige auf Facebook zunächst Seiten mit Klatsch über Promis und Nachrichten eingerichtet hatten und diese dann über Internet-Trolle mit Hasskommentaren gegen Rohingya und Muslime überschwemmten.