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Christen stehen in der moralischen Pflicht, mutig dagegen aufzustehen, wenn schwache und benachteiligte Menschen Gewalt, Machtmissbrauch und Unrecht erfahren, und müssen dabei auch politischen Autoritäten Widerstand leisten: Diese Botschaft vermitteln der Priester und Sozialethiker Markus Schlagnitweit und die Bibelwissenschaftlerin Daniela Feichtinger im Buch "Was würde Jesus tun? - Anregungen für politisches Handeln heute", das soeben im Styria-Verlag erschienen ist. Anhand ausgewählter Bibelstellen zeigen die beiden Autoren auf, dass Neutralität und Ausblenden der politischen Dimension des Wirkens Jesu Christi ein "Verrat" an ihm wäre.

Das Evangelium sei bis heute Basis einer "politisch gefährlichen Erinnerung", betonen Schlagnitweit und Feichtinger. Wohl habe es in der Geschichte auch viel politischen Missbrauch des Wortes Gottes gegeben, wobei Religion für Machtpolitik vereinnahmt worden sei. Auch gebe es innerhalb der Kirche eine unglückliche Lagerbildung rund um die Bereiche "Aktion" und "Kontemplation", die aber grundfalsch sei: "Beide Pole des Weges Jesus bedingen einander und funktionieren ohne einander gar nicht. Gottesliebe ohne tätige Nächstenliebe wäre eine glatte Halbierung des christlichen Kerngebots", schreibt Schlagnitweit (58), der sich als Priester, Theologe und Direktor der Katholischen Sozialakademie (ksoe) intensiv mit der Katholische Soziallehre beschäftigt hat.

Das Reich Gottes sei eine soziale Größe und dann politisch, "wenn das Handeln im Sinne Jesus nicht an der Wohnungstür aufhört", betont Daniela Feichtinger in dem durch abwechselnde Essays gekennzeichneten Band. Jesus habe klare Prinzipien vermittelt, die man als Christ freilich erst für die Gegenwart "ausbuchstabieren" und auf die jeweilige Realität und das jeweilige Schicksal übersetzen müsse. Dies sei etwas anderes als populistisches Verallgemeinern, so die 30-jährige Bibelwissenschaftlerin und Religionspädagogin. Auch das Label "christlich" sei keine brauchbare Richtschnur für Wahlentscheidungen, wenn sich damit bezeichnende Parteien in Wahrheit nur "Bollwerke gegen Abstiegsängste der Mittelschicht" seien. Diese Ängste bedürften Antworten abseits von Nationalismus und Intoleranz, fordert Feichtinger.

Vom Evangelium ausgehend werden im Buch heutige Konfliktbereiche aus dieser Perspektive beleuchtet, wobei das Buchcover mit dem Bild eines Flüchtlingsbootes ein konkretes Beispiel bereits vorwegnimmt. "Hat Jesus Asyl gewährt?", lautet die Ausgangsfrage für ein ganzes Kapitel. In weiteren geht es u.a. um Besitz und Reichtum, um Feindesliebe, um Nationalismus und das Prinzip "Wir und die anderen", um den "Mut zum Konflikt" sowie um die Fragen, ob Jesus "Marxist" war und wie er zum Phänomen der "Freunderlwirtschaft" stand.

Bereits das Kreuz ist politisch

Eingehend setzen sich Schlagnitweit und Feichtinger auch mit dem Kreuzessymbol auseinander. Es sei bloß ein "Verdrängungseffekt", wenn das Erkennungszeichen des Christentums nicht auch als Provokation angesehen werde, sondern nur noch als Schmuckstück und Tattoo-Motiv, als Landmarke auf Berggipfeln, Wandschmuck im trauten Heim, kunsthistorisch wertvolles Schauobjekt oder dekoratives Ornament auf liturgischen Gewändern. Die Realität und ursprüngliche Bedeutung des Kreuzes verdampfe dabei meist zur Nebensache. Dass sich in der Christenheit das Symbol des Kreuzes so unumstritten durchgesetzt habe, verpflichte dazu, die "besondere politische Bedeutung dieses ursprünglichen Hinrichtungswerkzeugs nicht einfach auszublenden".

Eigentlich sei das Kreuz ja "ein Schand- und Marterpfahl, ein Galgen", rufen die beiden Theologen in Erinnerung; zum zentralen Symbol sei es erst im Laufe des ersten Jahrtausends geworden, erstmals verwendet von Gegnern des Christentums, die zu Zeiten der römischen Christenverfolgungen in einer Karikatur Anhänger des Jesus als Anbeter eines Gekreuzigten mit Eselskopf verspotteten. Der Kreuzestod Jesu sei bereits Beweis dafür, dass sein Wirken von den Römern durchaus als politisch hochbrisant und gefährlich eingestuft wurde; die Hinrichtungsart sei schließlich politischen Aufrührern vorbehalten gewesen. Auch Jesus habe sich mit seiner Selbstbezeichnung als "König" (im Dialog mit Pontius Pilatus) als politisch relevante Persönlichkeit eingeordnet.

(Buchtipp: "Was würde Jesus tun? - Anregungen für politisches Handeln heute", von Daniela Feichtinger, Markus Schlagnitweit. Styria-Verlag, 176 Seiten, Preis: Euro 22,-, ISBN-9783222136733)