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Das Thema Asyl bleibt eine Streitfrage zwischen Kirche und Regierung - bzw. deren türkiser Mehrheit. Leopold Wimmer, Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), appellierte am Montag erneut "insbesondere an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer, von ihrem kategorischen Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen aus überfüllten und schlecht ausgestatteten Lagern in Griechenland und Bosnien abzurücken". Die wachsende Zahl an kirchlichen Solidaritätsaktionen in ganz Österreich, die auch von der Katholischen Aktion mitgetragen werden, zeigen laut Wimmer, "dass wir uns als Christen mit dieser Weigerung, Flüchtlinge, vor allem unbegleitete Minderjährige, aufzunehmen, nicht abfinden können". Der "Missmut über die Regierungslinie" in dieser Frage wachse.

Der KAÖ-Präsident nahm damit Bezug auf eine Vielzahl an Wortmeldungen aus den Reihen der Kirche - von der höchsten Ebene der Bischofskonferenz bis hin zu pfarrlichen Initiativen -, die einerseits die von der Regierung vertretene "Hilfe vor Ort" als unzureichend kritisierten und andererseits konkretes Engagement bei der Unterbringung besonders Hilfsbedürftiger in Österreich zusicherten. Die Reaktion der Adressaten seitens des Kanzleramtes und der zuständigen Ministerien fällt spät und schablonenhaft aus, wie Kathpress recherchierte.

Die KAÖ hatte sich bereits am 15. Dezember mit dem Appell an Kurz und Nehammer gewandt, ein "vorweihnachtliches Zeichen" zu setzen und angesichts der "katastrophalen Lage" auf der griechischen Insel Lesbos "mindestens 150 Menschen, besonders unbegleitete Minderjährige, aus dem Flüchtlingslager schnell und unbürokratisch in Österreich aufzunehmen". Die Antwort der beiden Spitzenpolitiker ließ mehr als einen Monat auf sich warten.

"Die Bilder lassen niemanden kalt"

"Die Bilder aus Moria und vielen anderen Flüchtlingslagern weltweit, wie zum Beispiel in Äthiopien, lassen niemanden kalt", wurde seitens des Bundeskanzleramtes versichert. "Wir haben die christlich-soziale Verantwortung, den Ärmsten der Armen vor Ort zu helfen, in Griechenland wie auch in vielen anderen Staaten der Welt", wurde in dem Kathpress vorliegenden Schreiben Kanzler Kurz zitiert. Dies geschehe etwa durch ein Soforthilfepaket nach Lesbos und die Verdopplung des Auslandskatastrophenfonds auf 50 Millionen Euro. Zudem: Österreich habe bei der Aufnahme von Flüchtlingen "schon bisher extrem viel geleistet". Deshalb sei keine zusätzliche Aufnahme von Asylwerbern oder anerkannten Flüchtlingen direkt aus Griechenland vorgesehen.

Im Antwortschreiben aus dem Innenministerium - unterzeichnet vom ehemaligen Caritas-Mitarbeiter und Bundesasylamtsleiter Wolfgang Taucher - wird darüber hinausgehend argumentiert: "Würden jetzt zusätzlich Migranten aus Moria aufgenommen werden, so wäre dies ein völlig falsches Signal - einerseits für die Migranten selbst, welche sich großer Gefahr aussetzen, andererseits für die Schlepper, welche sodann in ihrem kriminellen Handeln bestätigt werden würden."

Angebotene Quartiere unerwünscht

Für die Katholische Aktion ein nicht überzeugendes Argument, wie Präsident Wimmer jetzt mit dem Verweis auf die jüngste Angelus-Ansprache von Papst Franziskus betonte: Flüchtlingen dürfe die notwendige Sorge und menschliche Hilfe nicht vorenthalten werden. Pfarren, Hilfsorganisationen und viele Initiativen hätten der Regierung zuletzt mehrfach mitgeteilt, dass sie die notwendigen Quartiere für evakuierte Flüchtlinge bereitstellen und für deren Betreuung und Integration sorgen können, brachte der KAÖ-Präsident ein. "Es ist für uns schlichtweg unverständlich, warum diese Angebote nicht angenommen werden."

Ein solches Angebot hatte jüngst die kirchlich mitbegründete "Solidarregion Weiz" an die Regierung gerichtet. Die Antwort darauf nach knapp einer Woche aus dem Bundeskanzleramt hatte denselben Wortlaut ("Bilder ... lassen niemanden kalt", "christlich-soziale Verantwortung, den Ärmsten der Armen vor Ort zu helfen") wie die davor an die KAÖ gerichtete und auch jene an das "Ökumenische Forum christlicher Kirchen" in der Diözese Graz-Seckau - die vom Kanzleramt allerdings an das "Ökonomische Forum" adressiert war, wie Forums-Leiter Stadtpfarrpropst Christian Leibnitz Kathpress mitteilte - oder jene an die kirchlich unterstützte Menschenrechts-Aktivistin auf Lesbos, Doro Blancke.

Gar keine Antwort erhielten laut einer Auskunft der Diözese Gurk-Klagenfurt am Montag Kärntner Religionsvertreter, die sich bereits vor elf Monaten an Kanzler Kurz gewandt hatten: Für eine Mut machende, von den Menschenrechten geleitete Flüchtlingspolitik sprachen sich damals in einem Offenen Brief Bischof Josef Marketz, der evangelische Superintendent Manfred Sauer, der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinde in Kärnten, Adnan Gobeljic, Caritasdirektor Ernst Sandriesser und Diakonie-Rektor Hubert Stotter aus.

Nicht nur "Lücken stopfen" für die Politik

In den vergangenen Wochen übernachteten in mehreren österreichischen Städten Engagierte aus Zivilgesellschaft und Kirchen im Freien in Zelten, um auf die dramatische Situation geflüchteter Menschen in europäischen Lagern wie Kara Tepe aufmerksam zu machen. In Linz beteiligte sich am Wochenende die Präsidentin der Katholischen Aktion (KA) Oberösterreich, Maria Hasibeder, an dem Solidaritätscamp. Dia Initiative wurde von Bischof Manfred Scheuer ebenso unterstützt wie dies die Bischöfe Hermann Glettler (der selbst zu einem Lokalaugenschein nach Lesbos gereist war) und Wilhelm Krautwaschl bei vergleichbaren Aktionen in Innsbruck und Graz taten.

Daran Beteiligte aus den Reihen der Kirche versicherten gegenüber Kathpress, dass sie in ihrem Einsatz für eine Flüchtlingsaufnahme beharrlich bleiben wollen. In der Diözese Linz laufe eine Erhebung unter Pfarren, wo Platz für Evakuierte bestünde, hieß es. Die Solidaritätscamps verzeichneten zuletzt steigenden Zulauf. In Graz-Seckau registriere man "Irritation" in ÖVP-Kreisen, "warum die Kirche bei sowas mitmacht". Wie Anna Hollwöger von der KA-Steiermark betonte, könne man sich als Christin bzw. Christ nicht über die Vorgabe des Evangeliums und auch die klare Haltung des Papstes in Flüchtlingsfragen nicht einfach hinwegsetzen. Die Katholische Aktion wolle hier auch öffentlich klare Zeichen setzen, zugleich aber nicht "Lücken stopfen" und die Politik nicht aus ihrer Verantwortung für eine menschliche Haltung gegenüber schutzbedürftigen Geflohenen entlassen.

Seit Wochen gibt es ähnliche Appelle verschiedener kirchlicher Persönlichkeiten und Organisationen: Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, sein Vorgänger Kardinal Christoph Schönborn und weitere Diözesanbischöfe baten rund um Weihnachten um Barmherzigkeit, ebenso die Ordensgemeinschaften, die Caritas oder eben die Katholische Aktion.