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Christlicher Glaube ist zuallererst ganz persönliche Erfahrung und meint, dass man sich Gott "öffnet", sich ihm anvertraut und zur Verfügung stellt. Demgegenüber ist nach den Worten des Theologen Gisbert Greshake Glaubens-Wissen eine "Größe zweiter Ordnung" und somit nachrangig. Es gehe beim Glauben nicht um ein Fürwahrhalten bestimmter "Sach"-verhalte, sondern um die "personale Wirklichkeit Gottes, dessen Wesen und Handeln in 'Sätzen' nur zum Ausdruck gebracht" werden könne. Dogmen z. B. gehörten insofern zum Glauben, "als sie uns sagen, wer dieser Gott ist, dem man sich im Glauben anvertraut", erklärte der 87-jährige Theologe, der am 18. Februar im Rahmen der Theologischen Kurse über recht verstandenen Glauben spricht, im Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag".

Glaube sei weder eine objektive Lehre, noch ziele er als "moralischer Glaube" primär auf die Einhaltung sittlicher Normen - so sehr er sich davon auch nicht dispensieren lässt, wie Greshake erläuterte. Das Christentum stehe vielmehr für einen "lebenspraktischen" bzw. "mystischen" Glauben, "der sich von der Liebe Gottes ergreifen und davon in Zuversicht, Vertrauen und Hoffnung sein Leben prägen lässt".

Das "Konkretsein" des Glaubens führt nach den Worten des deutschen emeritierten Theologen, der u. a. auch an der Universität Wien lehrte und dort Generationen von Studierenden prägte, zu Erfahrungen ganz unterschiedlicher Art: Erfahrungen im Denken und Fühlen, Erfahrungen im Umgang mit anderen und mit der Umwelt, Erfahrungen im Arbeitsleben und in der Freizeit. Greshake empfahl, sich über solche Erfahrungen, gerade weil sie so unterschiedlich sind, in Glaubensgesprächen auszutauschen.

In diesem Kontext unterstrich er die Bedeutung von Glaubensvorbildern: Für das Zum-Glauben-Kommen sei es wichtig, im Laufe des Lebens Menschen zu begegnen, die exemplarisch und überzeugend ihren Glauben so leben, dass von ihnen etwas Ansteckendes ausgeht und auf andere "überspringt".

Inneres bleibt "Missionsland"

Freilich treffe die Bereitschaft, aus dem Glauben zu leben, immer auch auf Zweifel, Vorbehalte und gegenläufige innere Antriebe, wies der Theologe hin. Greshake zitierte dazu den Satz aus dem Markus-Evangelium (9,24) "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" als "eine der wichtigsten Aussagen über den Glauben". Das Innere des Menschen sei wie ein "Missionsland", in dem es neben "bekehrten Zonen" ebenso noch vom Glauben unerreichte oder nicht voll erreichte Regionen gibt, erklärte Greshake: "So entstehen Zweifel und Vorbehalte; und sie werden bleiben. Unsere eigene 'Missionierung' ist noch längst nicht abgeschlossen!"

Gisbert Geshake hält am 18. Februar um 19 Uhr bei den Theologischen Kursen in Wien einen Online-Vortrag zum Thema "Glaube als Für-wahr-Halten oder als Sich-für-Gott-Öffnen". (Infos und Anmeldung: www.theologischekurse.at)