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Wie es zur KZ-Gedenkstätte Hinterbrühl gekommen ist und warum dieses Gedenken so immanent wichtig ist - darüber spricht der Publizist und "Furche"-Herausgeber Heinz Nußbaumer in einem neuen Kirchenpodcast, der u.a. auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at) abrufbar ist. Es habe lange gedauert, bis sich Hinterbrühl bei Mödling zu seiner jüngeren Geschichte bekannt hat. Inzwischen sei die Gedenkstätte zu einem Teil des Ortes und seiner Bevölkerung geworden, so Nußbaumer, der nach wie vor auch selbst Schulklassen beim Besuch des Ortes begleitet.

Im Frühjahr 1944 wurde die Seegrotte in Hinterbrühl von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Ziel war es, eine unterirdische, von oben nicht erkennbare Flugzeugfabrik zu bauen, wofür die Seegrotte trockengelegt wurde. Zwischen Oktober 1944 und April 1945 wurden jeweils etwa 600 Zwangsarbeiter in Zweimal-zwölf-Stundenschichten zusammengepfercht und in die Seegrotte geführt. "Die Menschen wurden von Hunden zerfleischt und in elektrische Zäune gejagt", so Nußbaumer. Nach der Auflösung des Konzentrationslagers mussten die Zwangsarbeiter einen Todesmarsch ins über 200 Kilometer entfernte KZ Mauthausen antreten. Bereits davor wurden 51 gehunfähige Gefangene mit einer Benzinspritze ins Herz ermordet, beim Marsch selbst starben über 200 Menschen, noch einmal etwa 200 waren schon in den Monaten davor im KZ gestorben.

Den Anstoß zur Gedenkstätte gab 1986 der Besuch einer Schulklasse aus Baden. Bei einer Führung zur Seegrotte, für welche der Ort einige Bekanntheit erlangt hat, erklärte der Guide den Schülern, dass Pferde die dort gebauten Flugzeugrümpfe heraustransportiert hatten. Damit diese in den engen Gängen nicht scheuten, habe man ihnen die Augen ausgestochen. Nußbaumer: "Die Kinder waren total platt über so eine Grausamkeit, die Pferde hatten ihr totales Mitleid. Nur ein einziger Bub fragte: 'Aber wer hat hier eigentlich Flugzeuge gebaut?'" Der Guide wusste die Antwort nicht.

Der Lehrer beschloss, die Geschichte gemeinsam mit den Kindern aufzuarbeiten und besprach sich mit Heinz Nußbaumer, damals Obmann der örtlichen Pfadfinder. Pfadfinderkinder aus Hinterbrühl und Schüler aus Baden befragten ältere Menschen, die den Krieg erlebt hatten, und recherchierten in Archiven. So entstand der erste Bericht über das Konzentrationslager in Hinterbrühl. Ein Unterstützer der Initiative war auch Franz Jantsch, der damalige Pfarrer von Hinterbrühl, der selbst von den Nazis verfolgt worden war.

Es entstand in weiterer Folge die Idee eines Gedenkortes und einer Gedenktafel in der Seegrotte. "An dieser Tafel hat sich schon der gesamte Widerstand im Ort entzündet", erinnerte sich Nußbaumer. Monatelang sei um die Tafel und den Text gerungen worden. Die damalige Vizebürgermeisterin und Schuldirektorin habe Nußbaumer und Jantsch damals angefahren: "Wenn ihr eure Vergangenheit nicht bewältigt, dann geht zum Psychiater!"

Nachdem das Projekt lahmte, setzte Nußbaumer auf ein Proponenten-Komitee. Prominente Unterstützer waren unter anderem der damalige Tennisstar Thomas Muster und Ex-ÖGB-Präsident Anton Benya. Im November 1989 wurde der Erinnerungsort eingeweiht.

Den Erinnerungsort gäbe es ohne die katholische Kirche nicht, wie Nußbaumer im Podcast betonte: "Ohne die Kirche und ihre Mitglieder wäre der KZ-Platz eine total verwilderte Stätte." Und weiter wörtlich: "Wir dürfen mit einiger Dankbarkeit feststellen, dass die Kirchen heute der große 'Flugzeugträger' der Erinnerung, des Gedächtnisses und auch der permanenten Selbstkritik und Selbstbefragung sind."

Der Gedenkplatz ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die jüngere Generation tue sich damit leichter, "weil sie nicht in Verdacht steht, mit der damaligen Zeit etwas zu tun zu haben". Außerdem habe man aus der Pfarre, und damit aus der Mitte des Ortes heraus, eine besondere Fürsorge für diesen Platz entwickelt.

Dennoch wurde der Platz immer wieder von Rechtsradikalen verwüstet. 2004 wurde die nach einem Vandalenakt beschädigte und wiederhergestellte Gedenkstätte von Kardinal Christoph Schönborn gesegnet. Der Platz sei ein "Stein der Erinnerung im Fluss des Vergessens", so Schönborn damals.

Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ist nicht nur auf www.katholisch.at, sondern auch auf www.studio-omega.at, auf "https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com" sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts, auf Spotify und auf Youtube (https://www.youtube.com/channel/UCwJ-QjJFPX4EGRuHBHsIJJQ/featured) abrufbar.