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Die Grazer Menschenrechts-Aktivistin Doro Blancke hat die Strategie des Außengrenzschutzes der Europäischen Union als "Fratze der EU" bezeichnet und vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage im Flüchtlingscamp Kara Tepe auf Lesbos gewarnt. Trotz der Abschreckungspolitik würden laufend Boote auf Lesbos landen, schilderte Blancke im Interview des steirischen "Sonntagsblatts" (aktuelle Ausgabe).

Die Situation auf Lesbos sei prekär, so die Augenzeugin: Seit zwei Wochen regnet es fast täglich, es hat auch geschneit und in der Nacht herrschen Minusgrade. "Es ist kalt und nichts trocknet auf. Wasser rinnt in die Zelte. Die Leute erwärmen sich einfach nicht mehr", so die Aktivistin, die mit dem Innsbrucker Bischof Hermann Glettler im Dezember die Flüchtlingscamps auf Lesbos aufsuchte.

Aktuell wolle die EU mit Lesbos "hässliche Bilder" produzieren, um Menschen von der Flucht nach Europa abzubringen. Laut Blancke eine Fehleinschätzung: "In der Nacht kam ein Schlepperboot mit 35 Leuten, mit Kindern und Frauen, an. In der Schneenacht ist ein Mensch auf einem Boot an Unterkühlung gestorben."

Laut Schätzungen sollen in Kara Tepe aktuell 7.500 Menschen leben, davon 2.500 Kinder. "Es sind hauptsächlich Familien mit Kindern, dazu viele sehr junge Menschen, die gerade einmal 18 sind, auch Frauen, die allein sind", so die Menschenrechts-Aktivistin, die sich aktuell als Volontärin der Hilfsorganisation "Home For All", einer griechischen NGO, vor Ort engagiert.

Hilfe auf Spenden angewiesen

Gemeinsam mit anderen Helfern verteilt Blancke täglich Hilfsgüter im Camp. Dabei seien sie vor allem auf Spenden angewiesen; jüngst wurden etwa 300 Babyfelle für Kleinkinder geliefert; eine andere Firma habe zugesagt, 10.000 warme Decken zu spenden. "Die Spendenbereitschaft ist sehr hoch, wir konnten schon 60 Tonnen an Hilfsmaterial nach Lesbos bringen." Das sei mehr als die von der österreichischen Bundesregierung bisher gewährte "Hilfe vor Ort", merkte Blancke an, die seit Herbst 2020 auf Lesbos aktiv ist.

Die Zusammenarbeit mit den Behörden bezeichnete die Aktivistin im "Sonntagsblatt" als "extrem schwierig" und willkürlich. Herausfordernd sei auch die Verteilung der Hilfsgüter, da es aktuell noch keine zentrale Verteilstation gebe. Laut der Flüchtlingshelferin bemüht man sich seit Wochen um ein großes Zelt für "Home For All", wo die Menschen Hilfsgüter holen könnten. Es sei alles Nötige vorhanden, jedoch die Umsetzung nicht realisierbar. "Jetzt fahren wir mehrmals am Tag mit einem Van, in den wir ca. 50 Pakete hineinbekommen, zu Familien und Alleinreisenden, selbst bei strömendem Regen."

Wie schon zuvor der Innsbrucker Bischof Glettler, der Bischofskonferenz-Vorsitzende Franz Lackner, Kardinal Christoph Schönborn und kirchliche Organisationen forderte auch Blancke die Aufnahme von 100 schutzsuchenden Familien in Österreich. "Aber im Grunde gehört das ganze Camp sofort evakuiert", mahnte Blancke, die gemeinsam mit Unterstützern den Verein "Flüchtlingshilfe Doro Blancke" gründete.

(Infos und Spenden: doroblancke.at; Spendenkonto: "Flüchtlingshilfe/refugee assistance - Doro Blancke", IBAN: AT93 3842 0000 0002 7516)