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Für eine differenzierte und "sensible" Debatte zum Thema politischer Islam haben sich die Wiener Theologen Prof. Jan-Heiner Tück (kath.) und Prof. Ulrich Körtner (evgl.) ausgesprochen. Der Vorwurf der Islamophobie sei ebenso wenig hilfreich wie der Vorwurf, man stelle die Muslime "pauschal unter Verdacht", wenn man die "problematischen Seiten des politischen Islam beim Namen nennt", schreiben die beiden Theologen in einem gemeinsamen Essay in der "Neuen Zürcher Zeitung" (Donnerstag). "Das Verschleiern von Schwierigkeiten war noch nie eine effiziente Problemlösungsstrategie". Hintergrund bildet die vor allem in Österreich zuletzt rund um den Anschlag von Anfang November in Wien aufgebrochene Debatte über politisierte bis hin zu gewaltbereite Formen des Islam bzw. Islamismus.

Der Begriff des "politischen Islam" sei wissenschaftlich etabliert und dürfe aber nicht verwechselt werden mit Formen politischer Teilhabe von Muslimen, stellten die Theologen klar. Während letzteres eine sogar wichtige Präventionsform von Radikalisierungen und Ideologisierungen darstelle, sei der politische Islam eine "Herrschaftsideologie", die auf die Umgestaltung der Gesellschaft "im Widerspruch zu den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates und den Menschenrechten" dränge, zitierten die Theologen den islamischen Theologen Mouhanad Khorchide. Die Gefahren, die nicht nur vom gewaltbereiten Jihadismus, sondern auch von der Muslimbruderschaft oder anderen, aus islamisch geprägten Staaten finanzierten Organisationen ausgingen, dürften nicht kleingeredet werden, streben sie doch "ganz offen an, eine Scharia-konforme Gesellschaftsordnung zu etablieren".

Dagegen plädierten Tück und Körtner u.a. für die Etablierung einer "islamischen Form von öffentlicher Theologie", welche die gesellschaftlichen Selbstverständigungsdebatten bereichern würde: "Es wäre höchst wünschenswert, wenn in Europa neben christlichen und jüdischen Stimmen auch eine islamische Form von öffentlicher Theologie entstünde, eingebettet in den akademischen Diskurs und zugleich verankert in der islamischen Community." Dies habe nichts mit "Islamisierung" der Öffentlichkeit zu tun, sondern es gehe darum, "dass sich in einer pluralistischen Gesellschaft die verschiedenen Religionsgemeinschaften am politischen Diskurs beteiligen sollten, weil auch ein säkularer Staat auf das Engagement aller seiner Bürger angewiesen ist."

In dieser Hinsicht habe der Islam aber noch einen weiten Weg vor sich, verwiesen Tück und Körtner im Sinne einer "selbstkritischen und lernbereiten Theologie" zum einen auf die Hypotheken der eigenen christlichen Kirchengeschichte und ihre späte Anerkennung des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates, zum anderen auf ein weitgehendes Fehlen muslimischer Stimmen in aktuellen gesellschaftspolitischen und ethischen Debatten. Hoffnungsvoll im Blick auf eine solche "islamische Form öffentlicher Theologie" stimmten die beiden Theologen jedoch die Etablierung von Instituten für islamische Theologie an deutschen und österreichischen Hochschulen.

Kirchenrechtler: Vorsicht bei gesetzlichen Verschärfungen

Vorsichtige Kritik am aktuell diskutierten Anti-Terror-Paket der Regierung, welches auch eine Verschärfung des Islamgesetzes vorsieht, kommt vom katholischen Kirchenrechtler Prof. Andreas Kowatsch: Die Verschärfungen, die u.a. eine bessere Kontrolle des Verbots der Auslandsfinanzierung umfassen als auch die Einrichtung eines Verzeichnisses für Imame und Gastprediger sowie die Möglichkeit, Moscheen und Kultusgemeinden leichter zu schließen, würden verdeutlichen, dass der Staat "die Zügel wieder mehr in die Hand" nehme in religionspolitischen und religionsrechtlichen Fragen. Die gewählten Mittel seien dabei mit größter Vorsicht zu wählen, wie Kowatsch gegenüber "religion.orf.at" sagte. Die Möglichkeit der Auflösung von Gemeinschaften sei etwa eine "sehr scharf Waffe", die angedrohten Strafen beim Verstoß gegen das Verbot der Auslandsfinanzierung seien "drastisch".

Insgesamt orte der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien lehrende Kirchen- und Religionsrechtler in dem Gesetzespaket, das noch bis 2. Februar in Begutachtung ist, eine "Verquickung von religionsrechtlichen, kultusrechtlichen und sicherheitspolitischen Fragen". Es bleibe auch der Beigeschmack, dass muslimische Gemeinden unter eine Art Generalverdacht gestellt würden; auch wenn es eine "Bringschuld aller islamischen Glaubensrichtungen" gebe, "dass sie alles dafür tun, dass sich dieser Verdacht als unbegründet und sogar diskriminierend darstellt", so Kowatsch.