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Mit der Angelobung der Abgeordneten erfolgte heute der Startschuss für die XXVI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrats. 24 Tage nach den Wahlen traten die neu gewählten MandatarInnen zur konstituierenden Sitzung zusammen. Ein Mandatar, Harald Stefan, musste sich allerdings entschuldigen lassen, daher ertönte das "Ich gelobe" nur 182 Mal aus den Reihen der Abgeordnetenbänke. Vereinzelt wurde auch der Zusatz "so wahr mir Gott helfe" angebracht. Jeder Mandatar und jede Mandatarin versicherte persönlich "unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten".

Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung von der scheidenden Nationalratspräsidentin Doris Bures. In Anwesenheit von Bundespräsident Alexander van der Bellen wurde die Bundeshymne feierlich intoniert, musikalisch begleitet von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker. Schon davor gedachten die Abgeordneten der Novemberpogrome von 1938.

Die Abgeordneten der SPÖ trugen traditionsgemäß eine rote Nelke im Knopfloch, jene der FPÖ schmückten sich dieses Mal mit einem Edelweiß und einer rot-weiß-roten Schleife. Die ÖVP-MandatarInnen hatten türkise Buttons mit stilisierten Säulen des historischen Parlamentsgebäudes angesteckt. Auf den Bänken der NEOS standen Kakteen mit einem rosa Band und einer gleichfarbigen kleinen Rose.

Auch die Regierungsbank war zum Teil besetzt: Mit Vizekanzler Wolfgang Brandstetter, Familienministerin Sophie Karmasin, Wirtschaftsminister Harald Mahrer und Finanzminister Hans Jörg Schelling hatten dort jene Regierungsmitglieder Platz genommen, die nicht für den Nationalrat kandidiert haben.

Nur noch fünf Parteien im Nationalrat vertreten

Anders als in der XXV. Gesetzgebungsperiode sind in der XXVI. Gesetzgebungsperiode nur noch fünf Parteien im Nationalrat vertreten. Als stärkste Fraktion ist die ÖVP aus den Wahlen hervorgegangen, sie hat 62 Mandate (+15) errungen. Danach folgen die SPÖ mit 52 (+/-0) und die FPÖ mit 51 Sitzen (+11). Die NEOS verfügen nunmehr über 10 MandatarInnen (+1). Neu im Nationalrat ist die Liste Pilz, sie bildet mit 8 Abgeordneten die kleinste Fraktion im Hohen Haus. Knapp die 4-Prozent-Hürde und damit den Einzug in den Nationalrat verfehlt haben die Grünen, sie konnten bei den Wahlen 2013 noch 24 Mandate erringen. Das Team Stronach (11 Mandate bei den Wahlen 2013) ist nicht mehr angetreten.

Auch sonst hat sich die personelle Zusammensetzung des Nationalrats stark verändert. Gleich 85 der 183 MandatarInnen sind neu, wiewohl einige von ihnen bereits parlamentarische Erfahrung in früheren Gesetzgebungsperioden bzw. als Bundesräte oder Europa-Abgeordnete haben. Erstmals einen Sitz im Nationalrat haben auch mehrere Regierungsmitglieder, darunter Noch-Bundeskanzler Christian Kern.

Besonders viele neue Abgeordnete hat die ÖVP (35 von 62), darunter auch Parteichef und Außenminister Sebastian Kurz. Die SPÖ verzeichnet 24 Neuzugänge, bei der FPÖ sind es 18 und bei den NEOS 3. Der Liste Pilz gehören fünf Neo-Abgeordnete an, drei waren schon im letzten Nationalrat (zwei für die Grünen, eine Mandatarin für die SPÖ) vertreten. Da Regierungsmitglieder ihr Abgeordnetenmandat traditionsgemäß zurücklegen, wird es nach der Bildung einer neuen Bundesregierung hier aber wohl noch zu einigen Veränderungen kommen.

Frauenanteil ist auf 34% gestiegen

Leicht erhöht hat sich der Frauenanteil unter den Abgeordneten. Er ist von zuletzt 31,1 % (57) auf 34,4% gestiegen: 63 der 183 Abgeordneten sind nunmehr Frauen. Zu Beginn der XXV. Gesetzgebungsperiode 2013 waren es 33,3% (61) gewesen. Den höchsten Frauenanteil hat die Liste Pilz (50%), den niedrigsten die FPÖ (22%). Bei der SPÖ sind 24 von 52 Abgeordneten weiblich (46%), bei den NEOS 4 von 10 (40%) und bei der ÖVP 20 von 62 (32%).

Jüngste Abgeordnete ist die oberösterreichische ÖVP-Abgeordnete Claudia Plakolm mit 22 Jahren. Sie kommt damit nahe an die Rekordhalterin Silvia Grünberger heran, die 2002, damals unter dem Namen Fuhrmann, mit 21 Jahren als bislang jüngste Abgeordnete in den Nationalrat einzogen ist. Mit 71 Jahren älteste Mandatarin ist Irmgard Griss von den NEOS. Erfahrenster Abgeordneter ist der bisherige Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, er gehört dem Nationalrat seit November 1994 und damit seit 23 Jahren ohne Unterbrechung an.

Sitzungen im Ausweichquartier in der Hofburg

Die Sitzungen des Nationalrats finden während der rund dreijährigen Generalsanierung des historischen Parlamentsgebäudes in der Hofburg statt. Im Gegensatz zum originären Plenarsaal hat der provisorische nur sechs Sitzreihen, die dafür breiter sind. Die drei rechten Sektoren, vom Präsidium aus gesehen, teilen sich ÖVP und FPÖ, links vom Präsidium sitzen SPÖ, NEOS und die Liste Pilz, wobei die beiden Kleinparteien keine Sitzplätze in der ersten Reihe haben. Insgesamt verfügt der provisorische Sitzungssaal über 192 Sitzplätze, 9 Sitzplätze bleiben somit frei.

Das Interesse an der konstituierenden Sitzung des Nationalrats war enorm: Aufgrund des beschränkten Platzangebots auf der Galerie im Sitzungssaal musste diese auf Videoleinwänden in andere Räumlichkeiten übertragen werden.

Die Wahlbeteiligung bei den Wahlen am 15. Oktober ist übrigens gegenüber der Nationalratswwahl 2013 deutlich gestiegen: 80% der ÖsterreicherInnen haben die Möglichkeit genutzt, die Zusammensetzung des Nationalrats mitzubestimmen. Das ist ein Plus von 5,1%. Die Dauer der Gesetzgebungsperiode beträgt fünf Jahre. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es, wie auch in der XXV. Gesetzgebungsperiode, zu vorzeitigen Neuwahlen kommt.

Verhandlungen über eine neue Bundesregierung laufen noch

Noch im Laufen sind die Verhandlungen über die Bildung einer neuen Bundesregierung. Für eine Mehrheit im Nationalrat sind jedenfalls die Stimmen von zumindest zwei der drei großen Parteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ) erforderlich. Da die ÖVP außerdem über mehr als ein Drittel der Sitze verfügt, können ohne ihre Zustimmung keine Verfassungsgesetze geändert werden.

Offen sind auch noch etliche organisatorische Fragen. So wurde die Verteilung der Redezeit für Nationalratsdebatten auf die einzelnen Fraktionen gemäß der so genannten Wiener Stunde noch nicht fixiert. Traditionsgemäß erhalten kleinere Parteien im Verhältnis zu ihrer Größe einen überproportionalen Anteil an Redezeit. Bereits heute gewählt wird das neue Nationalratspräsidium, außerdem werden einige Ausschüsse konstituiert. Auch erste Gesetzesinitiativen sind zu erwarten.

Kurz: Neue Legislaturperiode - Chance für einen Neuanfang

„Eine neue Legislaturperiode ist auch immer eine Chance für einen Neuanfang. Wenn wir auf den Wahlkampf zurückblicken, aber auch auf die letzten Jahre, so ist es notwendig, dass sich im Umgang miteinander einiges ändert. Die Menschen haben das gegenseitige Anpatzen satt. Und sie haben das Interesse, dass Politiker ordentlich zusammenarbeiten.“ Das sagte heute, Donnerstag, ÖVP-Klubobmann BM Sebastian Kurz als erster Redner in der konstituierenden Sitzung des Nationalrats.

Die ÖVP habe in den letzten Monaten versucht, einen neuen Stil zu prägen und andere nicht schlecht zu machen, appellierte der Klubobmann an die Abgeordneten um einen würdevollen Umgang und ein parteiübergreifendes respektvolles Miteinander – auch im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger und im Interesse der Arbeit für die Republik.

Als erste Nationalratspräsidentin schlug Kurz Elisabeth Köstinger vor, „eine Persönlichkeit, die sich in der Vergangenheit als Sacharbeiterin ausgezeichnet hat“ und – sogar in ihrer Funktion als Generalsekretärin –respektvoll mit politischen Mitbewerbern umgegangen sei. Trotz ihrer Jugend habe Köstinger bereits jahrzehntelange Erfahrung im Europäischen Parlament gesammelt und Österreich dort gut vertreten. Sie habe sich auch den Ruf erarbeitet, eine der Fleißigsten zu sein. „Es war mir stets eine Freude, mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen“, bat Kurz um die Unterstützung der Abgeordneten.

Gleichzeitig gratulierte Kurz all jenen Personen, die den Einzug in den Nationalrat geschafft haben sowie auch allen Parteien, die an Stimmen zulegen konnten. Respekt zollte er auch den Grünen, die zwar diesmal nicht im Hohen Haus vertreten sind, aber „jahrzehntelange Arbeit für Österreich geleistet haben“.

Kurz dankte zudem all jenen, die in den letzten Jahrzehnten in diesem Haus gearbeitet haben, wie etwa Jakob Auer oder Josef Cap, die sich mehrere Perioden für Österreich eingesetzt haben, sowie dem ehemaligen Klubobmann Reinhold Lopatka und dem bisherigen Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf.

Viele Abgeordneten würden das erste Mal diesem Parlament angehören, allein von der ÖVP ziehen 34 Mandatare erstmals ein. „Gerade der Mix aus erfahrenen Kräften und neuen Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Erfahrungen machen unser Parlament stark“, gratulierte Kurz den Abgeordneten aller Fraktionen. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

6 Parlamentarier sagten "So wahr mir Gott helfe"

Nicht viele Nationalratsabgeordnete verwenden eine religiöse Beteuerungsformel im Rahmen der Angelobung. Auch durchaus gläubige Politiker tun es oft nicht: Für sie ist Glaube zu allererst privat, sie möchten ihn nicht zur Schau stellen. Vielleicht meinen einige, Religion hätte in einem Parlament nichts verloren. Gemeinsam mit fünf anderen (insgesamt 4x ÖVP, 2x FPÖ) entschied sich neben Norbert Hofer auch Gudrun Kugler mich die Worte „Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe“.

5 Gründe nannte Gudrun Kugler in einer Presseaussendung:

  1. Die religiöse Formel unterstreicht, dass die Demokratie von Werten lebt, die sie nicht selbst hervorbringen kann; und dass staatliche Macht Grenzen anerkennen muss, wie zum Beispiel die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen.
  2. Transzendenz ist der beste Schutz gegen Ideologien und autoritäre Herrschaft. Die Angelobung fand am 9. November – am 79. Jahrestag des Novemberpogroms statt. Das soll uns zu denken geben.
  3. An Gottes Segen ist alles gelegen. Die religiöse Beteuerung ist eine Anerkennung der eigenen Grenzen. Es wäre arrogant zu sagen, dass wir Ihn nicht brauchen!
  4. In anderen Ländern ist eine religiöse Beteuerung selbstverständlich: Auch uns tut mehr Offenheit zu Religion in der Öffentlichkeit gut.
  5. Es ist eine besondere Gelegenheit zu Gott zu stehen: „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ (Matthäus 10,32).