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"Wir wissen noch nicht, welche Modelle, welche Ziele es für ein künftiges Europa gibt", sagte der EU-Abgeordnete Othmar Karas. Im Bild das Europäische Parlament in Straßburg.
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„Konzepte für Europa gibt es, was wir brauchen ist ein gemeinsames politisches Bewusstsein und demokratische Prozesse zur Entscheidungsfindung.“ Das sagte Othmar Karas, Leiter der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament am Freitag, 17. November, im Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Auf Einladung der Evangelischen Akademie diskutierten die beiden Europa-Kenner im Wiener Albert-Schweitzer-Haus über neue Konzepte für den alten Kontinent.

„Wir brauchen ein gemeinsames Ziel, das uns zu einer Staatsbürgergemeinschaft bringt“, brachte Guérot gleich zu Beginn der Diskussion die Idee einer europäischen Republik ins Spiel. Das Fundament dafür liege in der dreifachen Gleichheit aller Bürger vor dem Recht, in Steuerangelegenheiten sowie in Sachen Sozialleistungen. Das gehe aber nicht einher mit einer einheitlichen kulturellen europäischen Identität. Auf diese Weise, so Guérot, die seit 2016 an der Donau-Universität Krems lehrt, könne erst ein entscheidendes Problem der Europäischen Union gelöst werden: „Europa als Staatsbürgergemeinschaft braucht eine neue Struktur des Parlaments. Die heutige europäische Krise besteht darin, dass Europas Souverän noch nicht gefunden worden ist, noch nicht geklärt ist, wer entscheidet. Wir müssen diese Baustelle endlich schließen.“

Karas konterte Guérots Konzept einer europäischen Republik mit pragmatischer Zurückhaltung: „Ich verspreche Ihnen nicht, dass es jemals ein politisches System geben wird, in dem es keine Baustellen gibt“, betonte der EU-Parlamentarier, der auch Vorstand des „Bürgerforums Europa“ ist. Vielmehr müsse die Politik auf die konkreten Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger blicken, um „zukunftsfit und handlungsfähig“ zu sein. „Wie sollen wir zur Überwindung nationalstaatlicher Interessen und zur Republik Europa kommen, wenn keine Solidarität unter den BürgerInnen besteht?“ Es könne nicht sofort von einer Republik gesprochen werden, ohne den Weg dahin aufzuzeigen: „Es braucht innenpolitische Debatten, keine Schuldzuweisungen für das, was falsch läuft.“ Es sei daher auch falsch, die nationale Karte gegen Europa zu spielen.

Nicht auf Pragmatismus beschränken wollte sich Guérot: „Wir müssen generell umdenken. Wir können nicht von einem geeinten Europa reden und gleichzeitig kocht jeder sein eigenes Süppchen. Wir können nicht so tun, als ließe sich Staatliches und Europäisches trennen.“ Die große Erzählung zu diesem Neu-Denken sei die Idee der Demokratie, das Erbe der Französischen Revolution. Ihre Hoffnung für eine Entwicklung zu einem gemeinsamen Europa baut Guérot nicht zuletzt auf einen natürlichen Generationenwechsel: „Die heutige Jugend lebt schon wie selbstverständlich in einem geeinten Europa, noch lange bevor ein Jean-Claude Juncker (Präsident der Europäischen Kommission, Anm. d. Red.) das bemerkt.“

Durch den Abend führte der Journalist und Historiker Peter Huemer.