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Überlebende des KZ Mathausen bei den Gedenkfeierlichkeiten am ehemaligen Appellplatz.
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Bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Kapelle der KZ-Gedenkstätte Mauthausen erinnerten am Sonntagvormittag, 6. Mai, Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 73 Jahren. Der Gottesdienst, den die ehemalige evangelische Oberkirchenrätin Hannelore Reiner, der katholische Linzer Bischof Manfred Scheuer und der orthodoxe Erzpriester Ioannis Nikolitsis gestalteten, fand im Rahmen der alljährlichen Gedenkfeiern statt, die das „Mauthausen Komitee Österreich“ (MKÖ) gemeinsam mit der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen (ÖLM) und dem Comité International de Mauthausen (CIM) abhält.

„Ungeheuerlichkeit war einfach nicht vorstellbar“

In Anlehnung an das diesjährige Schwerpunktthema „Flucht und Heimat“ zitierte Hannelore Reiner in ihrer Predigt die Philosophin Hannah Arendt, die selbst vor den Nationalsozialisten ins amerikanische Exil fliehen musste: „Wir haben unser Zuhause verloren, das heißt die Vertrautheit des Alltags. Wir haben unseren Beruf verloren, das heißt die Zuversicht, in dieser Welt für etwas gut zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren, das heißt die Einfachheit in den Gesten.“ Wie Arendt hätten vor 80 Jahren viele Familien vor der Wahl gestanden, die Heimat zu verlassen – oder zu bleiben. „Manche ahnten, was die furchtbare Alternative sein könnte und schließlich auch war, und für andere war die Ungeheuerlichkeit einfach nicht vorstellbar.“

Die Erfahrung des Verlusts der Heimat verbinde jene Menschen vor 80 Jahren mit vielen in der Gegenwart; Flucht sei „für so viele Menschen aus dem Nahen Osten und aus afrikanischen Ländern die einzige Chance zum Überleben“. Es reiche angesichts dessen nicht aus, sich nur eine Waffenruhe in Syrien oder Regen in Afrika zu wünschen; vielmehr brauche es deutliche Unterstützung „von den reichen Ländern dieser Erde, also auch von Österreich.“

Gebete als „geistliche Heimat“

Gebete, so die ehemalige Oberkirchenrätin weiter, könnten hier zu einem Umdenken führen. Sie böten für die, die sie sprechen, eine „geistliche Heimat“. Und sie machten „offen für das Rufen jener, die auf uns angewiesen sind. Wer sollte denn sonst in dem allgemeinen Getümmel noch das Klopfen und die leisen Hilfeschreie jener hören, wenn nicht wir, die wir im und durch das Gebet Heimat und Sprache gefunden haben und immer wieder finden.“

Im Anschluss an den Gottesdienst nahmen die Besucherinnen und Besucher an der Befreiungsfeier am ehemaligen Appellplatz teil, bei der VertreterInnen nationaler Opferorganisationen in ihrer jeweiligen Landessprache zu den TeilnehmerInnen sprachen.

Rund 200.000 Gefangene

Das ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager Mauthausen bestand seit 1938. In den folgenden Jahren wurden auf dem ganzen Gebiet Österreichs – der damaligen Ostmark – Außenlager errichtet, in denen Häftlinge vorwiegend für die Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. HistorikerInnen gehen von insgesamt rund 200.000 Gefangenen aus, die bis Kriegsende in Mauthausen interniert waren, rund 100.000 Menschen kamen ums Leben. Im Mai 1945 wurden die verbleibenden Gefangenen von der US-Armee befreit.