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Gleichgeschlechtliche Partner können sich auch künftig in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nicht öffentlich segnen lassen. Das hat die Synode bei ihrer Tagung am 29. November in Stuttgart entschieden.
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Gleichgeschlechtliche Partner können sich auch künftig in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nicht öffentlich segnen lassen. Das hat die Synode bei ihrer Tagung am 29. November in Stuttgart entschieden. Der entsprechende Gesetzesvorschlag des Oberkirchenrates erhielt nicht die in der zweiten Lesung erforderliche Zweidrittelmehrheit. Von 96 Synodalen stimmten 62 dem Vorschlag zu, 33 lehnten ihn ab, einer enthielt sich. Für eine Zweidrittelmehrheit wären 64 Ja-Stimmen nötig gewesen. Bei der Abstimmung fehlte ein Synodaler vom Gesprächskreis „Kirche für morgen” und einer der linksliberalen „Offenen Kirche”. Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart) hatte sich kurz vor der entscheidenden Abstimmung vor der Synode nochmals nachdrücklich für den Vorschlag des Oberkirchenrates eingesetzt. Dieser sah vor, dass der Kirchengemeinderat mit einer Dreiviertelmehrheit und der Pfarrer einer öffentlichen Segnung zustimmen müssen. Kirchengemeinden, die das ermöglichen wollten, hätten zudem selbst aktiv werden müssen. Außerdem war ein umfassender Gewissensschutz für Pfarrer vorgesehen. In der ersten Lesung hatte der Gesetzesvorschlag am 28. November die zunächst benötigte einfache Mehrheit erhalten.

Landesbischof ist vom Abstimmungsergebnis enttäuscht

Die Präsidentin der württembergischen Landessynode, Inge Schneider (Schwaikheim bei Stuttgart), Mitglied der „Lebendigen Gemeinde“, bedauerte vor Journalisten, dass der Vorschlag des Oberkirchenrates keine Zweidrittelmehrheit fand. Landesbischof Frank Otfried July äußerte sich ebenfalls enttäuscht. Die Landeskirche sei offener, schließlich gebe es auch Pfarrer in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die hohe zahlenmäßige Zustimmung – auch wenn die Zweidrittelmehrheit nicht erreicht wurde – „spiegelt weite Teile der Stimmungslage der Basis wieder. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass eine Mehrheit der Synode die Segnung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften möchte.“ Er sehe hier einen Auftrag, sich weiter dafür einzusetzen.

„Lebendige Gemeinde“: Wir haben frei nach unserem Gewissen entschieden

Laut dem Vorsitzenden des größten Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ (43 Sitze), Dekan Ralf Albrecht (Nagold), haben die Synodalen der Gesprächsgruppe frei nach ihrem Gewissen entschieden. Die Landeskirche müsse nun neue Handlungsmöglichkeiten für die pastoral-theologische Begleitung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften entwickeln. Der stellvertretende Vorsitzende der „Lebendigen Gemeinde“ und Chef des Gemeinschaftsverbandes „Die Apis”, Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach bei Reutlingen), begrüßte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea die Entscheidung: „Als Gemeinschaftsverbände sehen wir keinen biblischen Auftrag für öffentliche Trau- oder Segnungsgottesdienste anlässlich der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare.“ Sie sähen zugleich sehr wohl die Herausforderung, homosexuelle Christen zu begleiten und ihnen eine Heimat in ihren Gemeinden und Gemeinschaften zu ermöglichen.

„Offene Kirche“: Wir prüfen rechtliche Schritte

Der Leiter des Gesprächskreises „Offene Kirche“ (32 Sitze), Prof. Martin Plümicke (Reutlingen), erklärte, dass man „gekämpft, gehofft und doch verloren“ habe. „Wir prüfen, ob wir rechtlich gegen den Beschluss vorgehen.“ Er rief die Kirchengemeinden dazu auf, sich der „Initiative Regenbogen“ anzuschließen, die sich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Partner einsetzt. Dieser Bewegung haben sich bislang 28 Gemeinden in Württemberg angeschlossen. Sie riefen aber nicht zum Rechtsbruch auf, betonten Plümicke und July.

„Evangelium und Kirche“: Ein bitterer Tag

Laut dem Sprecher des Gesprächskreises „Evangelium und Kirche“ (14 Sitze), Dekan Ernst-Wilhelm Gohl (Ulm), ist der 29. November „ein bitterer Tag für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die Kirche“. Für ihn ist der Entschluss unverständlich. Minderheiten forderten Gewissenschutz und verwehrten der Mehrheit, nach ihrem Gewissen zu handeln.

„Kirche für morgen“: Kritik an der „Lebendigen Gemeinde“

Diakon Götz Kanzleiter (Ostelsheim/Nordschwarzwald) vom Gesprächskreis „Kirche für morgen“ (7 Sitze) bedauerte ebenfalls die Entscheidung. Er kritisierte das Verhalten der „Lebendigen Gemeinde“. Der Vorschlag des Oberkirchenrats sei ein gangbarer Weg gewesen.

Oberkirchenrat: Beschluss bestätigt bisherige Regelung

Nach den Worten des Leiters Allgemeines Recht beim Oberkirchenrat, Winfried Klein (Stuttgart), wertet der Oberkirchenrat den Beschluss als Bestätigung der bisherigen Regelung: „Es bleibt in der Begleitung in der Seelsorge.“ Der Oberkirchenrat müsse auf die Einhaltung der Ordnung achten. Im Vorfeld der Synode hatten sich 324 Pfarrer, Vikare und Theologiestudenten verpflichtet, homosexuelle Partnerschaften weder zu segnen noch zu trauen (Stand 27. November). Darunter sind auch Dekane und ehemalige Mitglieder der Kirchenleitung. Die Theologen unterzeichneten eine Stellungnahme, die an Landesbischof July, das Kollegium des Oberkirchenrates und die Landessynode gesandt wurde. Im Gegensatz zur württembergischen können in der anderen Landeskirche des Bundeslandes – der badischen – gleichgeschlechtliche Partner getraut werden. Ebenfalls möglich ist es in den Kirchen in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Hessen-Nassau, im Rheinland und der Evangelisch-reformierten Kirche. In fast allen anderen Landeskirchen sind Segnungen möglich. Ausnahmen sind neben der württembergischen die bayerische und die schaumburg-lippische Landeskirche.