page-header
Die rheinische Kirche nimmt „den Glauben muslimischer Menschen als Bindung an den einen Gott wahr“ und ist gegen deren Missionierung.
Anzeige

Die Debatte um den Islam-Beschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland geht weiter. Deren Synode hatte in Bad Neuenahr eine „Theologische Positionsbestimmung für die Begegnung mit Muslimen“ verabschiedet. Sie enthält unter anderem die Aussage, die Rheinische Kirche nehme „den Glauben muslimischer Menschen als Bindung an den einen Gott wahr“. Sie verfolge im Dialog nicht das Ziel, Muslime zur Konversion (Religionswechsel) zu bewegen. Nun hat die evangelische Wochenzeitung „Unsere Kirche“ (Bielefeld) drei Vertreter der Evangelischen Kirche von Westfalen nach ihrer Haltung zum Thema Mission befragt. Während zwei Beiträge sich vor allem kritisch mit dem Papier auseinandersetzen, enthält der dritte Zustimmung.

In der Ablehnung von Mission ist das Papier „überscharf“

Laut dem Beauftragten der westfälischen Kirche für Sekten- und Weltanschauungsfragen, Pfarrer Andreas Hahn (Dortmund), enthält das Positionspapier viel mehr Zustimmungsfähiges, als es die kontroverse Diskussion vermuten lasse. Aber es fehle eine „religiöse Verhältnisbestimmung“. Die Rede von dem „einen Gott“ suggeriere ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten. Damit werde aber etwa übergangen, dass aus muslimischer Sicht das Christentum den einen Gott falsch verstanden habe. Stattdessen werde in dem Papier der Dialog auf Ethik reduziert. Praktische Handlungsfelder nähmen im Gegensatz zu religiösen Themen einen breiten Raum ein. Gleichzeitig enthalte der Text eine ausdrückliche Abgrenzung gegenüber Konversionsabsichten. Warum die rheinische Kirche Dialog für einen „kirchlichen Auftrag“ halte, Mission aber nicht, werde nicht deutlich. Hahn zufolge bleibt das Papier an entscheidenden Stellen „äußerst unklar, in der Ablehnung missionarischer Arbeit dagegen überscharf“. Zu zukünftiger Klarheit im Verhältnis zum Islam dürfte der Text Hahn zufolge deswegen kaum beitragen: „Wer Dialog und Mission als Gegensatz formuliert, hat offensichtlich Nachholbedarf in der Wahrnehmung der Ethik missionarischer Arbeit in der Kirche.“

Wer erfahren hat, dass Jesus lebt, wird sich von diesem Papier nicht aufhalten lassen

Pfarrer Dirk Scheuermann (Velbert) hält es für richtig, Gemeinden und Kirchenkreise in der Dialogarbeit zu ermutigen. Es befremde aber, dass der biblisch begründete Auftrag nicht zur Sprache komme, wie ihn etwa die 1934 verabschiedete Barmer Theologische Erklärung enthalte, derzufolge es der Auftrag der Kirche ist, „die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“. Der Gnadenbegriff bleibe in dem Papier schwammig und werde nicht auf Jesus Christus bezogen: „Menschen, die erfahren haben, dass Jesus lebt, können nicht schweigen von dem, was sie gesehen und gehört haben. Vor 2.000 Jahren konnte der ,Hohe Rat’ (Apostelgeschichte 4,1-20) sie nicht stoppen, und im Jahr 2018 werden sie sich nicht von der ,Theologischen Positionsbestimmung’ aufhalten lassen.“ Es sei ein biblisch begründetes Recht, dass alle Menschen die gute Nachricht von Jesus hören. Scheuermann war bis Mitte Januar Vorsitzender des Westfälischen Gemeinschaftsverbandes.

Zurückhaltend bei Taufanfragen, um „Errungenschaften des Dialogs“ nicht zu gefährden

Die Leiterin des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung der westfälischen Kirche, Pfarrerin Annette Muhr-Nelson (Dortmund), schreibt, dass manche Gemeinden bei Taufanfragen von muslimischen Flüchtlingen „zurecht“ zurückhaltend gewesen seien. Sie hätten ihnen einerseits keine unrealistischen Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Bleiberechtsperspektive machen wollen und andererseits hätten sie „die Errungenschaften des christlich-muslimischen Dialogs nicht gefährden wollen“. Bei der Auseinandersetzung mit der Religion des anderen gehe es darum, Gemeinsamkeiten und Trennendes zu betrachten: „Ein Dialog, der auf die Konversion von Muslimen abzielt, kann daher nicht das Programm einer Kirche sein, die sich friedensstiftend in die Prozesse und Auseinandersetzungen einer pluralen Gesellschaft einbringen will.“ Eine Taufe werde allerdings auch nicht verweigert, wenn sich jemand zu Jesus Christus bekehre. Mission werde heute „als glaubwürdiges Handeln in dieser Welt“ verstanden. Der interreligiöse Dialog sei als Teil der Mission zu verstehen, „wobei Mission aber eben nicht Evangelisation oder Bekehrungsversuch meint“, sondern Beteiligung an der „Missio Dei“ (lat. Mission bzw. Sendung Gottes), die auf „die Befreiung der Unterdrückten, die Erlösung der Schöpfung etc. zielt“.