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Eisernes Tor des Jourhauses an der KZ-Gedenkstätte Dachau.
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Angesichts des nach wie vor bestehenden Problems des Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft wird diskutiert, ob Schüler im Rahmen des Lehrplans pflichtgemäß eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollten.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert, dass alle Schüler der höheren Schulklassen eine KZ-Gedenkstätte besuchen müssen. Zentralratspräsident Dr. Josef Schuster betont, dass bei solch einem Pflichtbesuch an authentischen Orten das historische Geschehen begreifbarer wird als in Büchern oder Filmen: "Ich halte solche Besuche auch für Schüler mit Migrationshintergrund, also deren Vorfahren nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hatten, für sinnvoll. In der Gedenkstätte wird sichtbar, wohin die Diskriminierung und Verfolgung einer Minderheit im Extremfall führen kann", so Schuster gegenüber dem MDR-Magazin "exakt".

Auch Rolf Isaacsohn, der 84jährige Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Leipzig, ist für Pflichtbesuche. Der Holocaust-Überlebende, der als Kind nach Theresienstadt deportiert wurde, sagte MDR-exakt: "Es ist wichtig, dass das heute weitergeführt wird, dass die Schulklassen, wie es zu schon zu DDR-Zeiten war, alle nach Buchenwald mussten. Freiwillig haben ja manche Scheu davor, das zu sehen oder zu erleben."

Rolf Isaacsohn wurde erst Mitte Oktober mit einer bedrückenden Situation konfrontiert. Am Rande des "exakt"-Interviews zur Erinnerungskultur in der Leipziger Innenstadt zeigte ein Passant den Hitlergruß. Der Vorfall hatte für Schlagzeilen gesorgt, Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.

Im Bildungssystem der DDR waren Besuche von KZ-Gedenkstätten verpflichtend für jeden Schüler - meistens im Rahmen der Jugendweihe. Heute gibt es diese Pflichtbesuche kaum noch. Lediglich in Bayern steht für nahezu alle Schüler der Besuch einer KZ-Gedenkstätte im Rahmen einer Schulexkursion auf dem Lehrplan. Das ergab eine "exakt"-Umfrage unter allen 16 Kultusministerien der Bundesländer.

Thüringens Minister für Jugend, Bildung und Sport, Helmut Holter (Die Linke), positioniert sich gegen einen im Lehrplan verordneten Gedenkstätten-Besuch. Zwang sei das falsche pädagogische Mittel, wie er im "exakt"-Interview erklärt: "Das ist für mich eine andere Herangehensweise. 'Ach, jetzt müssen wir dahin, jetzt müssen wir uns das auch antun.' Ich halte den Weg der Freiwilligkeit für den richtigen."

Auch die Gedenkstätte Buchenwald lehnt die Verankerung eines KZ-Besuchs im Lehrplan ab. Der Sprecher der Gedenkstätte, Dr. Philipp Neumann-Thein, teilte dem MDR-Magazin schriftlich mit: "Unsere jahrzehntelangen Erfahrungen zeigen, dass bei freiwilligen Gedenkstättenbesuchen die Eigenmotivation der Besucher deutlich höher ist, sich intensiv und nachhaltig mit Buchenwald und seiner Geschichte auseinanderzusetzen."